Ein Engel an Güte (German Edition)
Lebhaftigkeit beigesellte. Im Nu waren die Stunden verflogen, sodass sie sich wunderten, als es zwei Uhr schlug.
« Ja, es ist zwei Uhr!», sagte Formiani mit einem Blick auf seine Taschenuhr. Und als er hörte, wie gleichzeitig im Korridor eine Tür geöffnet wurde, setzte er hinzu:«Ich werde mich sputen müssen, auf dass ich fortkomme. Auch mir ist die Zeit wie im Flug vergangen, mein Weibchen – du bist eine wunderbare Fee, dass du sie zum Verschwinden bringst!»
Seine Exzellenz war im Begriff zu gehen, als Bernardo hereinkam und den Cavalier Terni meldete.« Oh, der liebe Celio!», rief Formiani laut und ging ihm entgegen, ehe sich Morosina, wie sie es andere Male getan hatte, dem Besuch des Cavaliere entziehen konnte.«Oh, mein hübscher kleiner Cavaliere», wiederholte er, hakte den Eintretenden unter und führte ihn zu seiner Frau.« Ihr macht Euch ja wahrhaftig rar!»
Celio entgegnete nichts auf die freundlichen Worte Formianis, machte nur wortlos eine tiefe Verbeugung vor Morosina. Diese, halb sitzend, halb stehend, einen Ausdruck des Schreckens und zugleich des Flehens im Gesicht, erwiderte seinen Gruß; doch in ihrem Inneren herrschte eine solche Verwirrung, dass diese Handlungen gleichsam ohne Zutun ihres Willens abliefen.
« Es tut mir von Herzen leid, teuerster Cavaliere», sagte Seine Exzellenz unterdessen.«Aber Ihr seht ja, ich war schon im Aufbruch, man erwartet mich im Rat. Ja, im Vertrauen gesagt, es war die Schuld meiner Frau, dass ich mich länger aufgehalten habe, als ich gesollt hätte ... Oh, leb wohl!», setzte er, schon auf der Schwelle, hinzu.«Guten Tag, mein Herz, und auf Wiedersehen bei Tisch.»
Seine Schritte verhallten, Stille kehrte wieder ein in diesem Zimmer und ringsumher, und die beiden jungen Leute verharrten immer noch in ihren anfänglichen Positionen: Morosina fassungslos an die Wand gelehnt, Celio aufrecht vor ihr, zwischen Mitleid und Verachtung. Das Mädchen kam indessen so weit zu sich, dass es gewahr wurde, wo und in wessen Gegenwart es sich befand, und griff nach der Kordel des Glockenzugs.
« Das ist nicht nötig!», rief Celio mit einer solchen Grabesstimme, dass ihr der Arm mitten in der Bewegung erstarrte.«Es ist nicht nötig, Signora! Ich kam, um Reue zu wecken, nicht um mir selbst welche aufzuladen. Ich bitte Euch, beruhigt Euch und nehmt Platz.»
Morosina war zu aufrichtig und zu wenig welterfahren, um diesem tragischen Gestus zu misstrauen und den Schachzug dessen dahinter zu sehen, der die eigene Schuld auf andere abzuwälzen sucht und daher zu den schlimmsten Lügen greift; sie war völlig niedergeschmettert von diesen Worten, diesem Tonfall, diesen feierlichen Gebärden, und sank zitternd auf den Stuhl, den der Cavaliere ihr angeboten hatte.
« Hört mich an», begann dieser wieder,«hört mich an mit heiliger Geduld, nachdem Ihr ja hier die Heilige spielt. Ich will Euch jetzt nicht fragen, um welchen Preis Ihr Eure Seele verkauft habt, ob für einen großen Namen oder für den Reichtum, der Euch umgibt... Nein, ich bitte Euch nur, mich anzuhören.»
Morosina öffnete den Mund zu einer Antwort; aber vor Überraschung und Schreck blieb ihr der Sinn dieser Vorrede verborgen, weshalb sie nicht wusste, was sie sagen sollte.
« Hört mich nur ruhig an», fuhr Celio fort. « Glaubt Ihr, die Seele des Menschen ist bloß ein Häuflein Asche, ein Windhauch, ein Nichts...? Wenn Ihr das glaubt, umso besser für Euch; Eure Seele wird nach dem Tod in Rauch aufgehen, so wie unter diesen Euren Blicken meine Rachepläne in Rauch aufgegangen sind. Doch wenn nicht alles an Euch Lug und Trug ist, wenn Ihr Euch auf dem Grunde Eures Herzens einen Rest von Gottvertrauen bewahrt habt, wenn Ihr glaubt, dass es einen Gott gibt und dass unsere Seelen unsterblich sind, oh, dann seht mir ins Gesicht, bei Gott, ja, seht mich an, wie Ihr jetzt tut, und rühmt Euch und sagt: ‹Ich habe die Seele dieses Mannes zugrunde gerichtet, wie ich meine eigene Seele zugrunde gerichtet habe!›»
« O Gott, o mein Gott, welche Lästerungen!», murmelte Morosina, für die diese Worte einen fürchterlichen Klang hatten, ohne dass sie etwas davon begriffen hätte.
« Lästerungen, hm?», erwiderte Celio in höhnischem Ton.«Aber in gewissen Lästerungen liegen Wahrheiten verborgen; und dies ist eine davon, hört sie an, Signora Formiani. Durch Eure Heirat mit dem Inquisitor habt Ihr meine Seele in ewige Verdammnis gestürzt.»
« Aber um Himmels willen, Celio, um Himmels willen!», sagte
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