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Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie

Titel: Ein Engel an meiner Tafel - eine Autobiographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Elstern stand eine verfallene Waschküche mit hölzernen Waschzubern und einem Kessel in einer Ecke zum Kochen der Wäsche. Am Fußpfad, der vom Schuppen wegführte, stand neben dem Zypressenbaum das Plumpsklo, schon bald «die Zypresse» genannt, überwuchert von den kleinen, duftenden weißen Rosen, die wir «Kloröschen» nannten. Es hatte keine Tür, und der Klositz, lang und breit wie ein Strandklo, lag über einem tiefen Loch, das zur Hälfte mit altem «Kiki» (unser Wort für Exkremente) in unterschiedlichen Braunschattierungen gefüllt war und auf dem verblichene Zeitungsseiten aus der
Oamaru Mail
und der
Otago Daily Times
lagen.
    Die Familie erzählte mir, wie Isabel und June das Haus gesäubert hatten, wie sie geholfen hatten, einen Teil der Möbel den steilen Weg hinaufzutragen, dass jedoch der Großteil «unten im Wiesengrund» in einem der beiden alten Ställe und in offenen Schuppen hatte zurückgelassen werden müssen. Bruddie und Dad begruben vorübergehend ihre Differenzen und arbeiteten gemeinsam an der Planung der Wasserversorgung, einer Senkgrube und der Reparatur des Daches. Mutter, überglücklich über ihren ersten Elektroherd, machte sich daran, kleine Pfannkuchen und süße Milchbrötchen und Rosinenhäufchen und Pasteten zu backen, oder bügelte Dads Arbeitshemden und Taschentücher zum ersten Mal mit einem elektrischen Bügeleisen und sagte wehmütig: «Hätten wir das alles nur gehabt, als die Kinder klein waren!» Auch wir Mädchen hatten Freude am elektrischen Bügeleisen, nachdem wir jahrelang die alten Plätteisen auf dem Ofen erhitzt und unsere Schuluniformen und Blusen mit schwarzen Flecken gebrandmarkt hatten, die sich nicht entfernen ließen, da wir manchmal darauf vergaßen, den Ruß auf der Unterseite abzuwischen;und wie schnell konnten wir jetzt Säume und Falten bügeln!
    Trotz unseres baufälligen Heims fühlten wir uns schon zu Hause – oder besser,
sie
fühlten sich zu Hause, denn ich hatte den Umzug versäumt, und als ich eintraf, war es, als hätte ich mich der Familie erst angeschlossen, nachdem der Tod und der Schock des Todes und des Begräbnisses schon vorbei waren. Dad hatte damit begonnen, regelmäßig «überschüssige» Kohle von der Lokomotive zu schaufeln, wenn er mit dem Zug langsam um die Kurve bei den Parkanlagen und die Steigung aufwärts in Richtung Maheno fuhr, und die anderen hatten gelernt, mit einem Sack durch den Drahtzaun beim Akazienbaum zu schlüpfen, zwischen den Büschen wilder Wicken hindurch, um die kostbaren Klumpen Eisenbahnkohle aufzusammeln, entweder «glänzende Kohle» – Kaitangata – oder «matte Kohle» – Braunkohle aus dem Süden. Und der eilends reparierte Hühnerstall war bereits mit einem Dutzend Weißer Leghorns ausgestattet, auch damit wir eine Verwendung für die rostige Mühle hatten, die wir im alten Schuppen gefunden hatten und mit der man Austernschalen für das Hühnerfutter mahlen konnte. Der altersschwache Kuhstall, ohne Dach, mit gebrochener Schranke, stand wartend am Fuß des Hügels neben der Apfelhütte.
    Als ich den Boden aus Erde und die Trostlosigkeit des Hausinneren sah, fühlte ich mich niedergeschlagen und einsam, und ich wusste, dass das Willowglen-Haus nie mein Heim sein würde; es war zu klein, jeder war zu nahe am anderen; im Schlafzimmer auf der Vorderseite konnte man den Radioapparat aus der Küche hören, als befinde man sich in der Küche. Man konnte auch die Auseinandersetzungen hören, die erhobenen Stimmen und Mutters leises, flehentlichesFlüstern, das so viel hieß wie: «Schreit einander nicht an.» Meine Schwestern und mein Bruder und ich waren jetzt in einem Alter, wo wir ein «inneres Zimmer» besaßen, das wir einander nicht zeigten, obwohl wir noch immer heiter über unsere Träume sprachen und unter viel Gelächter die «komische Seite» von allem sahen. Ja, in jenem Sommer machten wir gar aus dem neuen Besitzer der Eden Street 56 in unserer Fantasie einen «Bösewicht», erzählten einander Geschichten über ihn und das ihm gewisse Verhängnis und setzten ihn auf unsere Liste von Schurken – Miss Low, der Gesundheitsinspektor, das Parlamentsmitglied, das nicht auf die Bitte um Geld für Kleidung geantwortet hatte. Sie alle waren von unserem Gespinst aus gesprochenen Worten sorgfältig umsponnen und ihrer Macht beraubt worden.
    Wir brachten dem Land in Willowglen die Liebe entgegen, die wir der Eden Street 56 nicht geschenkt hatten, obwohl uns dort jedes Blatt, jede Pflanze, jedes Insekt

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