Ein Engel aus der Hölle
Einschlags war er gedreht worden. Er hatte den Arm in einer unkontrollierten Bewegung in die Höhe gestoßen, taumelte jetzt nach links weg und setzte dabei tapsend einen Fuß vor den anderen, bis ihn die Kraft verließ und er ebenfalls schwer auf dem Boden aufschlug.
Suko drehte seinen Kopf und schaute zu John Sinclair.
Es gab ihn noch, und es gab den Engel!
Selten war wohl ein Plan so brutal zerstört worden wie in diesem Fall. Fiona und unser Kollege waren das perfekte Paar gewesen, sie hatten alle getäuscht, aber dieses Band war zerstört worden. Frank Durban würde ihr nie mehr zur Seite stehen, und sie stand jetzt auch allein auf weiter Flur.
Das wusste ich, nachdem ich mit einem schnellen Blick zur Seite erfahren hatte, was mit dem Kollegen los war.
Nur noch Fiona stand mit gegenüber.
Eine nackte Frau, eine schöne Frau, wenn man das Gesicht und den Körper beschreiben sollte. Aus ihren dunklen Augen starrte sie mich an, und ich hatte das Gefühl, genau in diesen Blick hineinzusprechen.
»Jetzt steht es unentschieden, Fiona. Jetzt gibt es wirklich nur noch uns beide.«
Sie sagte nichts, doch ihr Gesicht verzerrte sich. Zugleich öffnete sie die Lippen, und durch das Loch dazwischen strömte ein heller Hauch.
Meine Kugel hatte sie nicht vernichten können. Vielleicht verändert, denn nur so konnte ich mir den sichtbaren Hauch erklären, der aus ihrem Mund drang.
»Du hast verloren!«, flüsterte ich ihr zu. »Auch Engel können nicht immer gewinnen. Selbst dann nicht, wenn der Teufel persönlich sie geschickt hat. Pech für dich! Es gibt keinen Helfer mehr. Tut mir nicht mal Leid, denn jetzt gibt es nur uns.«
Sie atmete oder auch nicht. Jedenfalls strömte immer mehr von diesem weißen Dampf aus dem Maul und bildete in Kopfhöhe einige nebelige Wolken. Noch war ihr Gesicht recht klar zu sehen, und ich dachte daran, sie mit dem Kreuz zu attackieren.
Ich holte es aus der Tasche hervor.
Sie sah es und schrie wütend auf.
Im Hintergrund bewegte sich Suko. So schnell wie möglich schloss er die Tür.
Wieder schrie der Engel. Diesmal, weil ich mich ihm bereits genähert hatte.
Er stierte auf mein Kreuz. Für ihn war es ein strahlendes Mal, das auch ihn erwischte. Je näher ich an den Engel heranging, umso heller wurde das Licht, und es war zu sehen, wie es ihm zu schaffen machte.
Die Haut durchlebte eine Veränderung. Hatte sie noch vor Sekunden ausgesehen wie die bei einem Menschen, so griff die Veränderung jetzt sehr schnell um sich.
Der normale Hautton verschwand. Sie wurde bleich wie Chlorkalk. Fiona wich zurück. Sie suchte noch immer nach einem Ausweg, aber es kam mir vor, als wäre sie dabei zu schwächeln. All die Kräfte, die sie so stark gemacht hatten, verließen sie nun. Sie sprang in die Höhe, fiel aber wieder zurück.
Fiona wurde immer blasser. So weiß hatte ich kaum eine Haut je gesehen. Jede Stelle schien mit einem hellen Puder eingerieben worden zu sein.
Ich hatte das Kreuz nicht mal aktivieren zu brauchen. Allein sein Anblick trieb sie weiter, bis sie eine Wand erreichte, an der sie stehen blieb.
»Du kommst nicht mehr weg, Fiona! Mag die Hölle dich auch erschaffen haben, dieses Kreuz ist stärker, denn es hat die Hölle besiegt. Und das wird es immer wieder.«
Ein Kreischen erreichte mich. Es hörte sich an, als stammte es von unzähligen Möwen. Es peitschte so laut in meinen Kopf hinein, dass ich Angst davor bekam, Schmerzen zu spüren.
Fiona hatte ihren Schädel in den Nacken gelegt und schrie gegen die Decke. Ich sah, wie sie Schwung holte. Noch mal alle Kräfte zusammenriss, um zu entkommen.
Sie sprang hoch.
Es war ein Sprung, wie ihn ein Mensch kaum schaffen konnte. Er trieb Fiona in die Höhe. Sie sah aus wie ein riesiger bleicher Vogel mit schwarzer Kopfhaube, und sie prallte mit ihrem gesamten Körper hart gegen die Decke.
Ein Schrei – und das Feuer!
Grüne Flammen schossen plötzlich aus dem Körper hervor, der zugleich in zahlreiche Stücke zerrissen wurde, und es gab keinen Teil, der nicht brannte.
Die einzelnen Stücke des Puzzles sanken brennend zu Boden. Ich lief zur Seite, weil ich nicht getroffen werden wollte.
Auf dem Boden blieben die Stücke liegen. Sie brannten aus, es blieb nicht mal Asche zurück, sodass ich mich fragte, aus welch einem Material dieser Engel wohl bestanden hatte.
Ich wusste es nicht und würde es wohl auch nie erfahren, was in diesem Augenblick keine Rolle spielte. Dem letzten brennenden Rest drehte ich meinen Rücken zu
Weitere Kostenlose Bücher