Ein Engel fuer Emily
mit dem Mann, den sie liebte, verbringen. Es war ein langes Wochenende gewesen, aber alles andere als romantisch - es sei denn, man sah Geschosse, Bomben und Kletterpartien aus dem Fenster als romantisch an.
»Ja, das ist es«, sagte Michael beinahe ehrfürchtig. »Ich habe dieses Haus tausend Mal gesehen, wenn Sie hergefahren oder von der Bibliothek nach Hause gegangen sind.«
»Sie waren noch nie hier«, entgegnete sie strenger als beabsichtigt, aber die Situation machte sie nervös. Was hatte sie dazu gebracht, diesen Mann mit hierher zu bringen? Und was sollte sie jetzt, da er hier war, mit ihm anfangen?
»Es ist alles gut«, sagte Michael, als er seine Hand auf ihre legte, und wie immer legte sich Emilys Aufregung.
Sie wandte sich ihm lächelnd zu, dann stieg sie aus dem Wagen.
Trotz seiner Behauptungen war Emily nicht auf Michaels Reaktion vorbereitet, als er ihre Wohnung sah. Er drängte sich förmlich an ihr vorbei durch die Tür, fand blind den Schalter der Tischlampe und wanderte mit vor Staunen weit aufgerissenen Augen umher.
»Ja, ja«, rief er, »es ist alles da. Es hat sich kein bisschen verändert. Da ist der Schreibtisch, an dem Sie gesessen und Briefe an Ihre Mutter geschrieben haben. Emily, es hat mir Leid getan, dass ihr Tod Ihnen so viel Kummer und Leid verursacht hat, aber sie wartet auf Sie, und Sie werden sie Wiedersehen, wenn die Zeit gekommen ist. Ah, und dies ist der Tisch, den Sie ersteigert haben. Sie waren so glücklich, dass Sie den Mann überbieten konnten und den Zuschlag bekommen haben. Und da sind Ihre eigenen Bücher. Ich sehe Sie ...«
Er drehte sich um. »Wo ist das lange Ding, auf dem Sie liegen, wenn Sie lesen?«
Emily kniff grimmig die Lippen zusammen, dann sagte sie: »Ich habe die Chaiselongue in Donalds Wohnung gestellt. Hören Sie, es gefällt mir nicht, dass Sie mich ausspioniert haben. Ich denke ...«
»Ausspioniert? Emily, nichts liegt mir ferner. Ich passe auf Sie auf, und wie könnte ich das tun, wenn ich nicht über Sie wachte? Oh, dies!« Er nahm einen gläsernen Briefbeschwerer in die Hand. »Ich weiß noch, wie Sie ihn gekauft haben. Sie waren dreizehn und dachten ...«
»Ich war zwölf«, unterbrach sie ihn scharf und nahm ihm den Briefbeschwerer aus der Hand, um ihn wieder auf den Tisch zu legen.
Er schien ihren wachsenden Ärger gar nicht zu bemerken und ging ins Schlafzimmer. Emily blieb einen Moment wie angewurzelt stehen - sie wusste nicht, ob sie einen Tobsuchtsanfall bekommen oder sich nur wundern sollte. Als sie hörte, dass er eine Schublade aufzog, fiel die Entscheidung. Sie stemmte die Hände in die Hüften und marschierte in ihr Schlafzimmer. Michael inspizierte ihren begehbaren Schrank und strich mit den Händen über ihre Kleider. »Raus hier«, fauchte sie und knallte die Tür so heftig zu, dass sie ihm fast die Finger eingeklemmt hätte.
Michael war gänzlich unbeeindruckt. »Sie sollten dieses rote Kleid tragen, Emily. Es sieht toll aus an Ihnen. Ich war derjenige, der Sie dazu verleitet hat, es zu kaufen.«
»Schnüffeln Sie bei all ihren Schützlingen so herum?«, fragte sie und verbesserte sich sofort. »Nicht, dass Sie überhaupt Schützlinge haben, aber...« Es war nicht leicht, zornig zu sein, wenn man jede Bemerkung näher ausführen oder beinahe widerrufen musste.
Michael blieb unvermittelt stehen und schaute auf ihr Bett nieder. Er berührte kurz die weiße Überdecke, die sie Vor Jahren in einem Laden in den Bergen gekauft hatte. »Emily, ich fühle mich seltsam. Sehr eigenartig. Ich fühle ...«
Als er sich ihr zuwandte, war die Glut in seinen Augen nicht zu übersehen.
Sie wich instinktiv zurück. »Ich denke, Sie sollten jetzt besser gehen. Oder ich gehe. Oder ...«
Er wandte sich ab. »So ist das also«, murmelte er leise. »Jetzt verstehe ich euch Sterbliche ein bisschen besser.«
Es war offensichtlich, worauf er anspielte. »Ich glaube wirklich, Sie sollten nicht hier bleiben.«
Sein Kopf fuhr hoch, und sein Blick war durchdringend. »Emily. Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben - niemals. Ich verspreche es.«
Die Leidenschaft hatte sein Gesicht von einem Augenblick auf den anderen gezeichnet, und sein Ausdruck wechselte ebenso rasch wieder zu einem distanzierten, aber freundlichen Lächeln. »Und jetzt sollten wir uns ein bisschen ausruhen. Eure Körper sind ja so schwach. Sie brauchen ständig Nahrung oder Schlaf.«
»Wo werden Sie schlafen?«, fragte Emily nervös.
»Nicht dort, wo ich gern würde«,
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