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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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Gefühl, sich inmitten des Orkans zu befinden.
    Jeffrey ging einen Schritt auf sie zu.
    »Liebling …«
    Sie wandte sich um, sah ihn an und ließ sich endlich in seine Arme fallen, wie damals, als sie zehn Jahre alt war.
    »Papa, seit ich von Nathan getrennt lebe, bin ich todunglücklich.«
    »Sprich mit ihm, Liebling. Ich glaube, er hat dir einiges zu sagen.«
    »Anfangs, als wir uns scheiden ließen, hatte ich ein merkwürdiges Gefühl, eine Mischung aus Kummer und Erleichterung.«
    »Erleichterung?«
    »Ja, mein ganzes Leben lang habe ich Angst gehabt, dass er mich nicht mehr liebt, dass er eines Morgens aufwacht und feststellt, wie schwach und zerbrechlich ich wirklich bin. Deshalb war es eine gewisse Befreiung, nicht mehr mit ihm zusammen zu sein: Weil ich ihn bereits verloren hatte, brauchte ich nicht mehr zu fürchten, ihn zu verlieren.«
    »Er braucht dich aber genauso wie du ihn.«
    »Das glaube ich nicht. Er liebt mich nicht mehr.«
    »Was er gerade getan hat, beweist das Gegenteil.«
    Sie schaute zu ihm auf, die Augen voller Hoffnung.
    »Geh zu ihm«, riet Jeffrey ihr. »Aber beeil dich: Die Zeit drängt.«

Kapitel 28
    Schließ die Augen, schlag die Hacken zusammen und präge dir ganz fest ein: Man fühlt sich nur zu Hause wirklich wohl.
    Dialog aus dem Film Der Zauberer von Oz
    von Victor Fleming

    24.   Dezember
    »Kann ich einen Hotdog haben?«
    Bonnie hüpfte an der Ecke der Fifth Avenue und der 58.   Straße vor dem Wagen eines Straßenhändlers herum.
    »Liebling, es ist sechzehn Uhr. Möchtest du nicht lieber etwas Obst?«
    »Oh nein«, protestierte das kleine Mädchen und schüttelte den Kopf, »ich liebe Hotdogs mit viel Senf und gedünsteten Zwiebeln. Das schmeckt super.«
    Nathan zögerte: Das entsprach keineswegs seiner Vorstellung von gesunder Ernährung, doch er gab mit einem Nicken seine Zustimmung.
    »Cuánto cuesta esto?«, fragte sie so ernst sie konnte und zog einen winzigen Geldbeutel aus der Tasche, in dem sie ihre Ersparnisse aufbewahrte.
    Ihr Vater wies sie milde zurecht:
    »Du sollst nicht immer Spanisch reden!«
    »Son dos dólares«, erwiderte der Verkäufer und blinzelte ihr zu.
    Nathan zückte ebenfalls seinen Geldbeutel und zog ein kleines Bündel gefalteter Scheine heraus. »Steck dein Geld ein, los.«
    Er zahlte die zwei Dollar, und seine Tochter dankte ihm mit einem charmanten Lächeln.
    Sie schnappte sich ihren Hotdog und sauste wie der Wind zu einer Ansammlung von Menschen, die Weihnachtslieder sangen. Es herrschte eine trockene, aber belebende Kälte. Eine strahlende Sonne tauchte die Fassaden der Gebäude in warmes Licht. Nathan lief seiner Tochter hinterher. Inmitten dieser Menge und des regen Treibens auf den Straßen achtete er stets darauf, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Nebenbei musste er feststellen, dass ein großer, senfgelber Fleck ihren Dufflecoat zierte. Eine Weile lauschten sie den wunderbaren Negro Spirituals, die eine Gospel-Gruppe a cappella sang. Bonnie summte ein paar Lieder mit, dann wechselte sie zu einer anderen Gruppe. Sie konnte der Versuchung nicht lange widerstehen und spendete die zwei Dollar, die sie in der Tasche hatte, einem als Weihnachtsmann verkleideten Geigenspieler, der Geld für die Heilsarmee sammelte. Dann zog sie Nathan zum südöstlichen Eingang des Central Park, gegenüber der Grand Army Plaza.
    Trotz der Kälte dieses Spätnachmittags herrschte reges Treiben. Von allen Seiten strömten die Spaziergänger herbei, zu Fuß, auf dem Fahrrad, in der Pferdekutsche und sogar auf Langlaufskiern.
    Nathan und Bonnie kamen an einem Schild vorbei, auf dem die Möglichkeit angeboten wurde, einige Äste der Bäume im Park zu adoptieren.
    »Dürfte ich zu meinem Geburtstag einen Ast adoptieren?«, fragte Bonnie.
    Er erwiderte kategorisch:
    »Nein, das ist Quatsch, man adoptiert keine Bäume.«
    Sie bestand nicht darauf, sondern versuchte eine neue Bitte:
    »Könnten wir Silvester zum Times Square gehen?«
    »Das ist kein Ort für ein kleines Mädchen. Und zudem ist es nicht besonders schön dort.«
    »Wenn du meinst. Aber Sarah hat mir erzählt, dass dort das größte Freiluft-Silvesteressen des Landes stattfindet.«
    »Wir werden sehen, mein Liebling. Setz mal inzwischen deine Mütze richtig auf, es wird nämlich kalt.«
    Sie zog ihre peruanische Mütze bis zu den Augen herunter. Er band ihr den Schal um den Hals und putzte ihr mit einem Kleenex die Nase. Sie war ein reizendes Kind, und es war ein unschätzbares Privileg, sich um sie

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