Ein Engel im Winter
Million auf mein Konto überweisen! Ist ja gut, ist ja gut, Sie sind hier der Boss.
»Scheiße, Del Amico, was spielen Sie für ein Spiel?«
»Das Spiel eines Mannes, der nur ein Mal bezahlen möchte, aber nicht zwei Mal.«
»Was werden Sie mit dieser Aufnahme machen?«
»Nichts, ich werde sie sorgfältig aufbewahren, wie Sie Ihre Videokassetten aufbewahren. Ich behalte sie für den Fall der Fälle, aber es liegt an Ihnen, ob ich sie verwende oder nicht.«
»Ich werde nicht versuchen, Sie ein zweites Mal abzukassieren, wenn Sie das fürchten.«
»Das hoffe ich für Sie, Creed, denn das Spiel ist nicht mehr so amüsant, wenn man im Gefängnis landet.«
»Es wird kein zweites Mal geben.«
»Ich will Ihnen gern glauben. Ach, noch was, Creed: Sie werden sehen, es hält nicht alles, was es verspricht.«
»Wovon reden Sie?«
»Vom Geld, Creed, vom Geld.«
Dann legte er auf.
Die Sonne versank hinter Nantucket. Den ganzen Tag hatte ein starker Ostwind geweht. Nach Sonnenuntergang waren die Wellen stärker geworden und donnerten mit Getöse an die Felsen, die das Haus der Wexlers schützten.
Jeffrey und Mallory befanden sich auf der überdachten Veranda, die über den Fluten thronte. Es war der beeindruckendste Platz des Hauses, ein unvergleichlicher Aussichtspunkt, der in den Ozean hineinragte.
Mallory war am Morgen mit dem Flugzeug aus Brasilien zurückgekehrt. Von San Diego aus hatte sie ihre Eltern in den Berkshire Mountains angerufen, doch die Haushälterin hatte ihr ausgerichtet, dass »Mister und Missis Wexler« beschlossen hätten, Weihnachten in Nantucket zu verbringen. Diese geänderten Pläne hatten sie sehr beunruhigt. Sie hatte also ein Flugzeug nach Boston genommen und war vor einer Stunde auf der Insel gelandet.
»So, Mallory, jetzt kennst du die ganze Geschichte.«
Jeffrey hatte ihr die Ereignisse der letzten Tage bis ins Detail geschildert. Er hatte nichts ausgelassen, von dem Moment an, in dem er völlig betrunken Ben Greenfield angefahren hatte, über Nathans Opfer bis zu dieser Geschichte mit Creed Leroy, über die ihn sein Schwiegersohn auf dem Laufenden hielt. Er hatte sogar sein Alkoholproblem erwähnt, das ihn vor fünfundzwanzig Jahren dazu gebracht hatte, Nathans Mutter eines Diebstahls zu bezichtigen, den sie niemals begangen hatte.
Er hatte alles erzählt, nur nicht dass Nathan sterben würde.
Mit Tränen in den Augen rückte Mallory näher an ihren Vater heran.
»Weißt du etwas Neues von diesem Kind?«
»Ich rufe zwei Mal am Tag im Krankenhaus an. Sein Zustand ist unverändert. Man kann noch nichts Genaues sagen.«
Jeffrey wollte sie in die Arme nehmen, aber sie entzog sich ihm.
»Wie konntest du das tun?«, schluchzte sie. »Wie konntest du zulassen, dass Nathan an deiner Stelle die Schuld auf sich nimmt?«
»Ich … ich weiß nicht«, stotterte er, »er hat es so gewollt. Er dachte, es sei besser so für alle …«
»Es ist vor allem besser für dich!«
Dieses Urteil traf ihn zutiefst.
Der alte Mann wusste nicht, wie er sich rechtfertigen sollte. Er fühlte sich an das Versprechen gebunden, das er Nathan gegeben hatte, und er war entschlossen, es zu halten, selbst wenn er vor seiner Tochter als Feigling dastehen sollte. Das war sein Teil der Bürde – seine Art, Buße zu tun.
»Aber du wirst doch nicht zulassen, dass er ins Gefängnis muss?«
»Nein, Liebling«, versicherte er ihr, »ich verspreche dir, dass ich ihn da raushole. Es gibt vielleicht doch mehr auf der Welt, was ich wirklich kann, und ich werde alles Menschenmögliche für ihn tun.«
Jeffrey betrachtete seine Hände, die bedrohlich zitterten, ein Zeichen für Entzugserscheinungen. Zum dritten Mal in weniger als einer Viertelstunde öffnete er die Evian-Flasche, die auf dem Tisch stand, trank einen Schluck und hoffte, ohne es wirklich zu glauben, dass das Wasser die beruhigende Wirkung eines Wodkas auf ihn haben möge. »Verzeih mir, Mallory.«
Er fühlte sich elend, gelähmt von einem Gefühl, das weit über die Scham hinausging. Seine Tochter, die er abgöttisch liebte und die sehr sensibel war, saß in Tränen aufgelöst neben ihm, und er hatte nicht einmal das Recht, sie in die Arme zu nehmen.
Mallory ging zu der großen Glaswand, die die Veranda schützte. Ihr Blick verlor sich am Horizont. Als sie noch klein war, traute sie sich an stürmischen Tagen wegen der aufgewühlten Wellen und dem tosenden Wind nicht hierher. Die entfesselten Elemente flößten ihr Angst ein und vermittelten ihr das
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