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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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Mallory?«
    »Das weißt du ganz genau.«
    Er ließ seinen Blick ins Leere schweifen.
    »Nichts wäre passiert, wenn Sean nicht gestorben wäre.«
    Gereizt erwiderte sie:
    »Lass Sean, wo er ist! Du bist nicht mehr der, den ich liebte, Nathan, das ist alles.«
    »Die Liebe geht nicht einfach so verloren.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich dich nicht mehr liebe. Ich habe nur festgestellt, dass du nicht mehr der bist, den ich einst geliebt habe.«
    »Du kennst mich, seit ich acht Jahre alt bin! Zum Glück habe ich mich verändert. Alle Menschen verändern sich.«
    »Tu nicht so, als würdest du mich nicht verstehen: Dein ganzes Leben drehte sich um deinen Job. Du hast mich überhaupt nicht mehr bemerkt.«
    »Ich musste doch arbeiten«, verteidigte er sich.
    »Deine Arbeit hätte dich aber nicht verpflichtet, meinen Vater mit diesem Prozess zu demütigen. Dein Stolz war dir wichtiger als deine Frau.«
    »Jeffrey wollte den Prozess. Vergiss nicht, was deine Familie meiner Mutter angetan hat.«
    »Aber ich bin nicht meine Familie, und du hast nicht an mich gedacht. Du hast dich so weit von mir entfernt, Nathan, du warst immer unzufrieden, unaufhörlich auf der Suche nach dem perfekten Glück.«
    Er versuchte sich zu rechtfertigen:
    »Ich wollte dieses Glück für uns. Für dich, für die Kinder …«
    »Aber wir hatten dieses Glück, Nathan. Du hast es nur nicht gemerkt, aber wir hatten es. Was hat dir denn noch gefehlt? Wolltest du noch mehr Geld? Aber wofür? Um ein drittes Auto zu kaufen und dann ein viertes? Um in einem Nobelclub Golf zu spielen?«
    »Ich wollte deiner würdig sein. Zeigen, dass ich es geschafft hatte.«
    Sie war jetzt sehr wütend.
    »Aha, da haben wir’s wieder. Du wolltest zeigen, dass du es geschafft hast: der große Ehrgeiz des Nathan Del Amico!«
    »Du kannst das nicht verstehen. In dem Milieu, in dem ich geboren wurde …«
    Sie ließ ihn nicht weiterreden.
    »Ich weiß sehr gut, woher du stammst und wie schwierig es für dich war«, sagte sie und betonte jedes einzelne Wort, »aber das Leben ist weder ein Wettbewerb noch ein Krieg, und du bist nicht verpflichtet, deinen Erfolg ununterbrochen zu beweisen.«
    Sie erhob sich mit einem Ruck vom Sofa.
    »Mallory!«
    Er wollte sie zurückhalten, aber sie stellte sich taub. Sie fand Zuflucht in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers. Sie versuchte sich zu beruhigen und zündete mehrere kleine Kerzen an, die in einer tiefen Glasschale schwammen.
    Nathan näherte sich ihr und versuchte ihre Schultern zu umfassen. Sie schüttelte ihn schroff ab.
    »Schau dir das mal an«, sagte sie und warf ihm ein Exemplar der New York Times zu, die auf dem Wohnzimmertisch lag.
    Obwohl Mallory in Kalifornien lebte, hatte sie noch immer die New Yorker Tageszeitung abonniert, die sie bereits als Studentin gelesen hatte. Nathan fing die Zeitung auf und betrachtete die Schlagzeilen auf der ersten Seite:
    Ohio: Ein Jugendlicher tötet drei Menschen in seiner Highschool mit einer Pistole.
    Chile: Ein Vulkanausbruch verursacht eine humanitäre Katastrophe.
    Afrika: Hunderttausende von Flüchtlingen in der Sahelzone ohne Obdach.
    Nahost: Neue Spannungen nach einem Selbstmordattentat.
    Einige Sekunden später fragte sie niedergeschlagen:
    »Welchen Sinn hat dieses Leben, wenn man es nicht mit jemandem teilen kann?«
    Ihre Augen wurden feucht. Sie sah ihn wütend an.
    »Was konnte es Wichtigeres für dich geben, als deine Liebe mit uns zu teilen?«
    Da er nicht antwortete, begann sie von neuem:
    »Ich fände es keineswegs beruhigend, mit jemandem zu leben, der keine Fehler hat. Du hättest zu deinen Schwächen stehen können, zumindest mir gegenüber. Du hättest mir vertrauen sollen …«
    Diese Worte bedeuteten: Du hast mich so sehr enttäuscht.
    Er blickte in Mallorys tränenfeuchte Augen. Alles, was sie gesagt hatte, war wahr. Dennoch hatte er es nicht verdient, allein den schwarzen Peter zu bekommen.
    »Immerhin habe ich meinen Ehering aufbewahrt«, sagte er und hob seinen Ringfinger. »Ich trage ihn noch, während du es wagst, mit diesem armseligen Versager in unserem Restaurant zu essen.«
    Er fuchtelte mit seinem Ehering vor Mallorys Augen herum wie der Anwalt, der den Geschworenen das entscheidende Beweisstück präsentiert. Doch er hatte hier kein Plädoyer zu halten. Er stand der Frau gegenüber, die er liebte, und sie sah ihn mit einem Blick an, der sagen wollte: Unterschätz mich bloß nicht auf diesem Gebiet, beleidige mich bloß nicht auf diese Weise.

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