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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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sich jetzt ganz schnell warm anziehen wird.«
    Es war gar nicht so einfach, die berühmten dunklen Tagliatelle zu finden. Sie mussten bis zu Dean and Delucca fahren. Wenige Tage vor Weihnachten war das Feinkostgeschäft in Soho überfüllt, aber die Menschen, die sich drängelten, um ihre Einkäufe in Rekordzeit zu erledigen, kümmerten sie wenig, denn sie hatten genug Zeit.
    Am Broadway verglich Bonnie eine gute Viertelstunde lang verschiedene Weihnachtsbäume, die ein Verkäufer unter freiem Himmel anbot. Als sie ihre Wahl getroffen hatte, legte Nathan den kleinen Baum in den Kofferraum des Jeeps, bevor sie bei einem Händler in der 3.   Avenue hielten, bei dem man seiner Meinung nach das beste Obst und das beste Gemüse in der ganzen Stadt bekam.
    Dort kauften sie einen schönen Kürbis und eine Fischsuppe im Glas, die aus Frankreich stammte und den komischen Namen »soupe ä la setoise« hatte.
    Am späten Nachmittag waren sie wieder zu Hause und bereit, sich auf die Zubereitung eines delikaten Mahls zu stürzen.
    Kaum hatte Bonnie ihren Dufflecoat ausgezogen, stellte sie eilig die Zutaten auf die Arbeitsplatte in der Küche: Blätterteig, Kürbis, Orangen, Vanillezucker, Mandellikör, Mascarpone …
    »Kommst du mir helfen?«, fragte sie ihn lächelnd.
    »Sofort.«
    Er betrachtete seine Tochter und spürte, wie sein Herz schwer wurde. Er hätte ihr gern gesagt, dass sie sich vor der Zukunft nicht zu fürchten brauchte, dass er auch nach seinem Tod immer da sein würde, um sie zu behüten und zu beschützen.
    Aber was wusste er schon davon! Bestimmt lief es so nicht. Er war sich aber ziemlich sicher, dass er sich nicht in einen Schutzengel verwandeln würde, dessen Aufgabe es wäre, sie vor törichten Schritten zu bewahren.
    In Wahrheit hatte er Angst. Er hatte Angst, seine kleine Tochter der Hässlichkeit und dem Zynismus der Welt aussetzen zu müssen, ohne ihr helfen zu können.
    Er trat an den Tisch. Bonnie hatte sich eine Schürze umgebunden, die ihr dreimal zu groß war, hatte bereits das Kochbuch auf der richtigen Seite aufgeschlagen und wartete geduldig auf seine Anweisungen.
    »An die Arbeit!«
    Nathan rollte den Blätterteig aus und legte ihn in die Form. Er bedeckte ihn mit einem runden Blatt Pergamentpapier, auf das er getrocknete Bohnen legte, bevor er die Form in den Ofen schob. Inzwischen hatte Bonnie den Kürbis von Kernen und Fasern befreit. Er half ihr das Fruchtfleisch in kleine Würfel zu schneiden. Dann träufelte sie vorsichtig einige Tropfen Mandellikör darauf und lächelte zufrieden. Nathan stellte den Kürbis auf den Herd und nutzte die Unterbrechung, um ihr eine Frage zu stellen.
    »Erinnerst du dich, wie es war, als Sean starb?«
    »Natürlich«, sagte sie und schaute ihm direkt in die Augen.
    Obwohl sie sich bemühte, es zu verbergen, bemerkte er den Schatten, der das schöne Gesicht seiner Tochter verdüsterte. Er zwang sich, trotzdem weiterzureden.
    »Damals warst du noch ziemlich klein.«
    »Ich war vier Jahre alt«, sagte sie, und es klang, als sei diese Zeit zwei bis drei Jahrzehnte her.
    »Um dir den Tod zu erklären, haben Mama und ich dir erzählt, dass Sean im Himmel ist.«
    Sie nickte, um zu zeigen, dass sie sich daran erinnerte.
    »Am Anfang hast du viele Fragen über den Himmel gestellt. Mehrere Male wolltest du wissen, ob es im Himmel kalt sei. Du hast mich auch gefragt, wie dein kleiner Bruder sich da oben ernährt und ob du ihn eines Tages besuchen könntest.«
    »Ich erinnere mich daran«, sagte Bonnie schlicht. »Also, ich weiß nicht, ob dies die beste Art war, um dir zu erklären, was der Tod ist …«
    »Wieso? Kommt man denn nicht in den Himmel, wenn man tot ist?«
    »Ehrlich gesagt, Liebling, niemand weiß es genau.«
    Sie überlegte einen Moment, versuchte, sich an all das zu erinnern, was sie zu diesem Thema wusste.
    »Meine Freundin Sarah sagt, wenn man tot ist, kommt man ins Paradies oder in die Hölle.«
    »Wir wissen es nicht«, wiederholte Nathan.
    Aber ihm war klar, dass diese Antwort ihr nicht genügte.
    »Warum schaut man dann nicht in die Enzyklopädie?«, fragte sie lebhaft. »Mama sagt immer, wenn man etwas nicht weiß, muss man in die Enzyklopädie schauen.«
    »Nicht einmal die Enzyklopädie weiß es. Es ist ein Geheimnis.«
    In diesem Augenblick klingelte der Wecker des Backofens.
    Nathan nahm den fertigen Tortenboden heraus und entfernte die getrockneten Bohnen.
    Wider Erwarten bot ihm das kleine Mädchen keine Hilfe an.
    »Los, Bonnie, ich

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