Ein Engel mit kleinen Fehlern
mit dem Fuß zu erreichen. Sie legte sich flach auf den Boden, machte den gefesselten Arm so lang wie möglich und schob den Fuß unter den Riemen.
"So!" rief sie triumphierend und zog die Tasche zu sich heran.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie sich befreit hatte.
Polizeihandschellen waren kinderleicht zu öffnen, ganz normales Einbruc
hswerkzeug reichte. Rae sprang auf und
druckte eine Kopie der drei Adressen aus.
Gabriel würde sie in der Reihenfolge aufsuchen, in der sie auf dem Papier standen. Er hatte keinen Grund, anders vorzugehen.
Rae dagegen würde zuerst zur Letzten, weil ... weil sie es anders machen wollte als Gabriel. Sie stopfte sich einige Zwanzig-Dollar-Scheine in die Hosentasche und eilte zur Tür.
Doch das erwartungsfrohe Lachen verging ihr bald, als ihr klar wurde, dass Gabriel allein nach Peter Smithfield suchen würde. Er würde keine Verstärkung anfordern, weil er wusste, dass es bei der Polizei einen Verräter gab.
Gabriel MacLaren, dieser ... leichtsinnige, tapfere Idiot würde erst dann um Hilfe bitten, wenn es gar nicht anders ging. Und wenn es vielleicht schon zu spät war.
Er war ein selbstbewusster, trotziger, arroganter und unglaublich erotischer Mann. Und männlich genug, sein Herz und seine Seele bloßzulegen, damit sie sehen konnte, was sie ihm bedeutete. Irgendwie waren sie beide von Anfang an füreinander bestimmt gewesen, aber in ihrer Blindheit hatten sie es nicht wahrhaben wollen. Sie hatten ihre Gefühle ignoriert und nur auf den Verstand gehört. Bis zu jenem Abend, an dem erst ihre Blicke und dann ihre Seele verschmolzen.
Mit grimmiger Entschlossenheit überprüfte Rae, ob ihre Pistole geladen war, und schob sie in den Hosenbund.
Gabriel MacLaren war der Mann, den sie liebte, und durch diese Liebe fühlte sie sich wieder ganz.
Sie durfte ihn nicht verlieren.
16. KAPITEL
Rae ließ das Taxi einen Block vom Haus entfernt halten. Den Rest des Wegs legte sie zu Fuß zurück. Lässig schlenderte sie die Straße entlang.
Sie bückte sich, band ihren Schuh langsam auf und wieder zu, um sich unauffällig das Haus anzusehen. Die
Backsteinfassade war sandgestrahlt und das Ho lz frisch gestrichen worden. Ein kurzer Blick durch eins der Fenster zeigte, dass der neue Eigentümer es auch im Inneren komplett renoviert hatte.
"Interessant", murmelte sie. "Sehr interessant."
Laut dem Ausdruck hatte Krueger Realty dieses Haus, Nummer 23, gekauft und es schon nach einem Monat an einen gewissen Donald Culpepper verkauft. Mit Verlust. Sie schätzte, dass Krueger Realty etwa vierzigtausend Dollar in die Renovierung gesteckt hatte. Um es dann mit Verlust zu verkaufen? Eine Geldwäsche? Das würde das FBI interessieren.
"Was haben wir denn da?" flüsterte sie, als ein schwarzer Lexus vor dem Haus hielt.
Zwei Männer stiegen aus und gingen hinein. Rae pirschte sie sich von hinten an die Nummer 23 heran und schaute in die Küche. Auf den ersten Blick wirkte sie ganz normal, aber man sah, dass hier nicht gekocht wurde.
Ein Mann betrat die Küche. Er hatte muskulöse Oberarme, einen Pferdeschwanz und eine 45er Halbautomatik im Gürtel.
"Wen bewachst du, Freund?" murmelte sie.
Er machte sich einen Kaffee und ging wieder hinaus.
Die Hintertür war verschlossen, das Küchenfenster nicht. Sie brauchte also nur das Insektengitter abzunehmen und wieder aufzuhängen, nachdem sie eingestiegen war.
Im Haus roch es nach kaltem Zigarettenrauch. Vorsichtig öffnete sie die Küchentür. In der Nähe lief ein Fernseher.
Einem Gangster mit einer 45er ging man am besten aus dem Weg. Sie konnte nur hoffen, dass er der Einzige war. Vermutlich hielt er Peter Smithfield nicht im Erdgeschoss gefangen, wo er einem Passanten Zeichen geben konnte.
Sie schlich die Treppe hinauf und hielt sich dicht am Geländer, damit die Stufen möglichst wenig knarrten. Der Fernseher hätte es übertönt, aber sie wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Oben angekommen, eilte sie leise von Tür zu Tür.
Sie fand Smithfield in einem der Schlafzimmer. Er lag gefesselt und geknebelt auf dem Bett und sah sehr ängstlich aus.
Sie schloss die Tür hinter sich.
"Sie haben jede Menge Probleme, Smithfield", flüsterte sie.
Er nickte verzweifelt und stammelte etwas, das wegen des Klebebands über dem Mund nicht zu verstehen war. Rae holte die Vorladung heraus und warf sie ihm auf die Brust.
"Dies ist eine amtliche Vorladung. Sie werden aufgefordert, vor Gericht zu erklären, warum Sie den Unterhalt für Ihre Kinder
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