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Ein Erzfeind zum Verlieben

Ein Erzfeind zum Verlieben

Titel: Ein Erzfeind zum Verlieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alissa Johnson
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war betrunken, wie sie mit Abscheu bemerkte, und obwohl das wahrscheinlich unvermeidlich war, um das Vertrauen und die Anerkennung der Gruppe zu gewinnen, musste er doch gewiss nicht so ungeheuer fröhlich dabei wirken.
    Dümmlich grinsend lümmelte er in einem alten Sessel mit hoher Lehne; seine Halsbinde war verschwunden, sein Rock aufgeknöpft. Er hielt eine Weinflasche in der Hand, und mehrere Zuhörer lauschten gebannt, während er nuschelnd die Geschichte des menschenfressenden Wildschweins zum Besten gab, das er in Frankreich gejagt hatte. Die Bestie habe ihn beinahe das Leben gekostet, hörte sie ihn sagen und fragte sich beiläufig, ob es sie wohl ihr Abendessen kosten würde. Wenn an dieser Geschichte auch nur eine Unze Wahrheit war, dann aß sie ihr blaues Unterkleid auf.
    Es war besser, wenn er sich amüsierte, rief sie sich ins Gedächtnis. Genauso hätte er abseits sitzen und den Baron voller Abscheu und Verachtung beobachten können … und sich gleichzeitig fragen, wie er die Familie Cole am besten von allem befreite, was mit Baron Eppersly in Verbindung stand.
    Sie unterdrückte einen gereizten Seufzer und kehrte zu ihrem Zimmer zurück. Es würde höchstens noch eine Stunde dauern, bis die Männer allmählich einschliefen, aber sicherheitshalber würde sie zwei Stunden warten.
    Sie wartete drei Stunden, denn in diesem Haus war man besser übervorsichtig.
    Sie verließ ihr Zimmer mit einem gewissen Plan. Zuerst würde sie versuchen, die Tür zum Studierzimmer zu öffnen, und falls sie verschlossen war, würde sie um das Haus herumgehen und nachsehen, ob sie vielleicht zum Fenster hinaufklettern konnte. Wenn sie es nicht konnte – und da sie im Klettern über keine nennenswerte Erfahrung verfügte, war das durchaus möglich – oder falls das Fenster ebenfalls verschlossen war, würde sie sich eben tagsüber ins Studierzimmer schleichen müssen. Schon bei dem bloßen Gedanken daran zog sich ihr der Magen zusammen. Tagsüber wurde man viel eher ertappt, und wenn ihr Onkel herausfand, dass sie in seinem Studierzimmer herumgestöbert hatte, würde er …
    Nicht daran denken. Jetzt bloß nicht daran denken.
    Sie stahl sich die Treppe hinunter und achtete darauf, die knarrenden Stufen zu vermeiden. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte sie auch wie eine ganze Elefantenherde durch den schmalen Gang trampeln können, und niemand hätte etwas bemerkt. Die betrunkenen Gäste waren eingeschlafen, und die Diener waren zu erschöpft, als dass sie die Bewegung im Haus bemerkt oder sich gar darum geschert hätten. Trotzdem, es war nie von Vorteil, im Haus ihres Onkels ein Risiko einzugehen.
    Zu ihrer unendlichen Erleichterung fand sie die Tür zum Studierzimmer unverschlossen. Ob er zu betrunken gewesen war und daher vergessen hatte, selbst abzuschließen, oder ob er einfach davon ausging, dass niemand ungebeten eintreten würde, wusste sie nicht. Da sie das Lieblingszimmer ihres Onkels all die Jahre bewusst gemieden hatte, hatte sie bisher noch nie einen Grund gehabt, den Türknauf anzufassen.
    Sie drehte ihn nun um und schob die Tür so weit auf, dass sie hineinschlüpfen konnte, schloss sie und lehnte sich mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung dagegen.
    Sie hatte es geschafft. Sie war im Studierzimmer ihres Onkels. Sie hatte tatsächlich den Mut aufgebracht.
    Dann fiel ihr ein, dass dies kein Ort war, wo sie sich gern aufhielt. Sie raffte sich auf und konzentrierte sich auf die vor ihr liegende Aufgabe.
    Wie die meisten Studierzimmer war der Raum ganz für einen Mann eingerichtet, der sich seinen Geschäften widmete: dunkle, maskuline Farben, ein großer Eichenschreibtisch, ausladende Ledersessel. Doch da ihr Onkel sich selten mit profanen Dingen wie Geschäften abgab, nahmen Jagdtrophäen die Stellen ein, wo sich in anderen Studierzimmern Bücherregale befunden hätten.
    An den Wänden hingen wie eine makabre Parade körperloser Köpfe ausgestopfte Böcke, Rehe, Füchse und alle möglichen Vögel. Mirabelle bemühte sich, sie zu ignorieren, als sie zwei Kerzen auf dem Schreibtisch entzündete, aber es waren gar so viele. Ihre Nerven flatterten ein wenig, und absurderweise bildete sie sich ein, dass die Glasaugen sie von hinten wütend anfunkelten.
    Sie blätterte durch einen Papierstoß und versuchte, sich nicht davon entmutigen zu lassen, dass Whit recht gehabt hatte – sie hatte nicht die geringste Ahnung, wonach sie suchte. Sie war so damit beschäftigt, ihre nagenden Zweifel und den schauerlichen Raum

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