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Ein Erzfeind zum Verlieben

Ein Erzfeind zum Verlieben

Titel: Ein Erzfeind zum Verlieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alissa Johnson
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sich über den zusätzlichen Gast im Hause den Kopf zu zerbrechen.
    Meistens jedenfalls.
    Glücklicherweise schienen sämtliche Gäste gerade in ihren Zimmern zu sein – vermutlich packten sie aus oder schrieben Briefe an Ehefrauen und Geliebte und setzten sie davon in Kenntnis, dass sie heil angekommen waren. Nach Mirabelles Vermutung würden eine oder zwei Ehefrauen über die Nachricht ziemlich enttäuscht sein.
    Aber es würde unmöglich sein, Whit beim Dinner von den anderen fernzuhalten – nun, zumindest versuchen konnte sie es. Sie sandte ein Hausmädchen nach oben mit dem Angebot, Whit sein Essen aufs Zimmer bringen zu lassen, und als das fehlschlug, schickte sie Hausmädchen mit demselben Angebot zu allen anderen Gästen. Doch nur Mr Cunningham nahm es an.
    Daher fand Mirabelle sich binnen weniger Stunden am Esstisch mit einigen der abscheulichsten Menschen Englands wieder … und mit Whit.
    Abendmahlzeiten in Baron Epperslys Haus waren zwanglose Angelegenheiten. Äußerst zwanglose Angelegenheiten. Sie waren so zwanglos, dass man sie guten Gewissens liederlich nennen konnte. Mirabelle persönlich fand, dass sie am ehesten einem gefräßigen Rudel geifernder Hyänen ähnelten, die sich um Aas stritten. Zwar hatte sie noch nie eine Hyäne gesehen, aber sie hatte darüber gelesen, und ihrer Meinung nach traf die Beschreibung auf die Gruppe recht gut zu.
    Abgesehen von dem abstoßenden Anblick erwachsener Männer, die ohne die geringste Beachtung der Etikette aßen – warum zum Teufel bestand ihr Onkel auf dem guten Tafelsilber, wenn er ohnehin anstelle von Gabel, Messer und Löffel seine Finger gebrauchte? –, graute es Mirabelle auch deshalb vor der Mahlzeit, weil diese für die Männer offenbar das Signal war, mit dem Trinken zu beginnen.
    Je mehr Wein floss, desto mehr wurden die guten Manieren über Bord geworfen. Gäste, die ihr bisher nicht die geringste Aufmerksamkeit geschenkt hatten, entdeckten in ihr plötzlich ein faszinierendes Gesprächsthema. Zumindest war das in der Vergangenheit immer so gewesen.
    An diesem Abend ließen sie Mirabelle die erste Stunde lang in Ruhe. Dass Lord Thurston sich zu ihnen gesellte, schien sie hinreichend zu beschäftigen. Anfangs bestürmten sie ihn mit argwöhnischen Fragen.
    »Was führt Sie zu unserer bescheidenen Zusammenkunft?«, fragte Mr Hartsinger.
    »Es überrascht mich, dass Sie die Zeit dazu gefunden haben – zwischen den feinen Gesellschaften Ihrer Frau Mama und Ihrem Sitz im Oberhaus«, bemerkte Mr Waterson.
    »Habe ich Sie nicht einmal Lady Killory gegenüber erwähnen hören, dass übermäßiger Genuss von Alkohol ein Zeichen für einen schwachen Geist sei?«, erkundigte sich Mr Harris.
    Aber Whit beantwortete alle Fragen mit Verstand und Humor. »Ich bin aus genau den Gründen hier, die Sie genannt haben, Mr Waterson. Ich brauchte eine Entschuldigung, um von den albernen Frauen bei biederen Gesellschaften wegzukommen, ganz zu schweigen von den albernen Frauen der Mitglieder des Oberhauses. Und Sie hätten diese Bemerkung ebenfalls gemacht, Mr Harris, wenn Sie derjenige gewesen wären, den die Dame mit Sherry anhauchte. Das war die beste Methode, um sie loszuwerden.«
    Recht bald entwickelte sich das Gespräch von einer Befragung zu einer ausgelassenen Runde, die sich in Erinnerungen an den verstorbenen Lord Thurston erging sowie in der Frage, ob sein Sohn dem alten Mann eines Tages gerecht werden würde.
    Mirabelle machte sich auf ihrem Stuhl so klein wie möglich. Selbst wenn sie die Mahlzeit überstand, ohne dass man sie bemerkte oder zum Sprechen aufforderte, war da immer noch die Beschämung darüber, dass Whit ihren Onkel und seine Freunde in ihrer Beschränktheit und Völlerei erlebte, aber sie würde zumindest nicht selbst …
    »Sitz nicht so krumm da, Mädchen!«, fuhr ihr Onkel sie an.
    Verflixt!
    »So hässlich, wie sie ist«, fügte er hinzu, »muss sie nicht auch noch eine schlechte Haltung haben.«
    Verdammt!
    »Lassen Sie das Mädchen in Ruhe, Eppersly«, sagte jemand, und sie hatte nicht die Absicht aufzublicken, um zu sehen, wer es war. »So schlecht sieht sie gar nicht aus, dass ich es nicht mal mit ihr versuchen würde.«
    Oh. Verfluchte. Hölle.
    Sie konnte Whit nicht ansehen. Sie hätte ihm jetzt nicht in die Augen schauen können, nicht einmal, wenn ihr Leben davon abgehangen hätte. Lachte er etwa? Sie hörte ihn nicht lachen, aber durch das hässliche Gepruste, das ihr Onkel ein Lachen nannte, hörte sie kaum etwas. War Whit

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