Ein Ex, ein Kuss - und neues Glück?
nach Hause kommen!“, sprach sie ihm auf den Anrufbeantworter.
Gestern noch wäre ihr bei der Vorstellung, ihn so bald wiederzusehen, vor Aufregung schwindlig geworden. Wie damals als Teenager.
Aber Phoebes und Michaels Autounfall hatte alles verändert. Jetzt empfand Grace nur noch grenzenlose Wut. Auf das unendlich grausame Schicksal. Auf Josh, weil er die Augen vor der Wirklichkeit verschloss und sich der ganzen Familie gegenüber so beleidigt und uneinsichtig gab.
Sie hatte keine Ahnung, was er damals zu Michael gesagt hatte. Und an das, was er ihr an den Kopf geworfen hatte, erinnerte sie sich kaum. Sie wusste nur noch, wie bleich er geworden war, als sie ihm mitgeteilt hatte, dass sich ihre Entscheidung nicht mehr rückgängig machen ließ. Dass sie längst schwanger war und das Kind für ihre Schwester austragen wollte. Da hatte er sich wortlos zurückgezogen, das Haus verlassen und war direkt zum Flughafen gefahren.
Die Krankenschwester, die ihr jetzt gegenüberstand, war es offenbar gewohnt, mit Menschen umzugehen, die unter Schock standen. Sie legte ihr den Arm um die Schultern und bot ihr einen Tee an. Dann erkundigte sie sich, ob sie jemanden benachrichtigen könne, damit Grace mit der schrecklichen Nachricht nicht allein dastand.
„Ich habe eben schon Josh angerufen“, murmelte sie, obwohl die Frau mit dieser Aussage gar nichts anfangen konnte. „Er ist bestimmt bald hier.“
Er musste einfach herkommen!
Dann erst fiel ihr auf, dass sie das Handy immer noch ans Ohr gepresst hatte. Schnell klappte sie es zu, steckte es wieder in die Hosentasche und folgte der Schwester den Gang hinunter.
Allmählich wurde Grace klar, dass Josh es allerfrühestens in vierundzwanzig Stunden nach England schaffen würde – selbst wenn er ihre Nachricht sofort abhörte und sich gleich in das nächste Flugzeug setzte. Sie war so benommen, dass sie noch nicht wieder Auto fahren konnte. Daher rief sie ihren guten Freund Toby Makepeace an.
Wenige Minuten später war er schon bei ihr, half ihr mit den Formalitäten und brachte sie dann zu dem Haus, in dem Phoebe und Michael mit ihrem Baby gewohnt hatten. Drei Monate alt war Posie jetzt. „Ich mag dich gar nicht allein lassen“, sagte Toby.
„Mach dir keine Sorgen, Elspeth ist ja da“, erwiderte Grace. Es gelang ihr kaum, einen zusammenhängenden Satz zu formulieren. „Sie ist sofort hergekommen, um sich um Posie zu kümmern. Vielen Dank für deine Hilfe.“
„Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst“, erwiderte Toby sanft. „Ich helfe dir auch gern mit den Dingen, die noch anstehen …“
Grace schluckte. Darüber wollte sie jetzt lieber nicht genauer nachdenken. „Josh ist bestimmt bald hier und kümmert sich um alles.“
„Natürlich.“ Toby legte ihr kurz die Hand auf den Arm und verabschiedete sich.
Elspeth, eine Freundin von Michael und Phoebe, war sofort gekommen, um auf Posie aufzupassen, während Grace ins Krankenhaus gefahren war. Schweigend drückte sie Grace an sich. Dann kochte sie ihr einen Tee und zog sich ins Arbeitszimmer zurück, um Phoebes und Michaels Freunde und Verwandte anzurufen – auch Michaels Eltern. Seine Mutter hielt sich gerade in Japan auf, sein Vater in Frankreich.
Grace war den beiden noch nie begegnet. Seit der Scheidung hatten die Brüder Michael und Josh kaum noch Kontakt zu ihren Eltern. Immerhin kannte Elspeth sie, daher hörten sie die schreckliche Nachricht nicht von einer völlig fremden Person.
Den restlichen Tag über klingelte das Telefon ständig; alle meldeten sich auf ihre Nachrichten hin zurück – abgesehen von dem Menschen, dessen Anruf Grace am dringendsten erwartete. Trotzdem bezog sie schon mal das Bett in Joshs Souterrainwohnung frisch. Dann bereitete sie alles darauf vor, sich eine Zeit lang aus ihrem eigenen Leben zurückzuziehen.
In ihrer Wohnung im Obergeschoss sprach sie eine neue Ansage auf den Anrufbeantworter. Sie nahm ihr Laptop mit nach unten, um sich damit in den Sessel am alten gusseisernen Kochherd zu setzen, während Posie daneben im Kinderbett schlief. Sie ging die Termine für ihre Goldschmiedekurse durch und sagte allen Teilnehmern ab.
Anschließend schrieb sie Schecks über die bereits gezahlten Anmeldegebühren aus und steckte sie in adressierte Umschläge. Im Moment war sie dankbar für jede Ablenkung.
Danach kümmerte sie sich um ihre Nichte Posie. Sie badete das Mädchen, gab ihr ein Fläschchen und wechselte ihr die Windel. Die ganze Zeit wartete sie
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