Ein Ex, ein Kuss - und neues Glück?
Monaten war alles nur noch schlimmer geworden.
Jetzt fuhr er ihr zärtlich mit den Lippen über die Schläfen und atmete dabei den süßen, milchigen Babyduft ein. Dann küsste er auch Posie. Für einen kurzen Augenblick lang schien alles gut zu sein, als hätte er vor vierundzwanzig Stunden nicht eine der furchtbarsten Nachrichten seines Lebens erhalten.
2. KAPITEL
Ganz allmählich und in unregelmäßigen Schüben kam Grace wieder in der Wirklichkeit an. Erst hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand und warum etwas Schweres auf ihrer Schulter lag. Und warum Michael auf einmal vor ihr stand und sie beobachtete.
Michael? Aus irgendeinem Grunde wusste sie, dass der Mann nicht ihr Schwager sein konnte.
Und dann sagte er auf einmal ihren Namen: „Grace …“
Genauso hatte er ihn vor vielen Jahren ausgesprochen, bevor er sie fest an sich gezogen hatte. Und in diesem Moment war ihr klar, dass der Mann nicht Michael war. Nein, es war sein jüngerer Bruder Josh, der sie gerade festhielt, als wollte er sie nie wieder loslassen. Davon träumte sie, seit er sie vor zehn Jahren nach einer leidenschaftlichen Nacht einfach wortlos verlassen hatte. Danach war ihr das Leben auf einmal unendlich leer vorgekommen.
Jetzt war er wieder da – und sie klammerte sich an ihn, um zu spüren, dass er auch wirklich echt war. Sie brauchte ihn so sehr, gerade jetzt!
Sie spürte seine Lippen auf ihrer Stirn, seinen Atem an ihrer Schläfe. Und als sie zu ihm aufblickte, küsste er sie so zärtlich und intensiv wie in ihren schönsten Träumen, die sie Tag und Nacht verfolgt hatten. Genauso, wie er sie damals geküsst hatte, bevor sie sich ungeduldig ausgezogen hatten, um sich endlich ihrer heißen Leidenschaft hinzugeben. Darauf waren zehn Jahre eisige Kälte gefolgt …
Natürlich hatte er immer mal wieder bei Phoebe, Michael und Grace in Maybridge vorbeigeschaut, hatte von seinen Erlebnissen, seinen Plänen und seinen Erfolgen erzählt. Aber er hatte es nie lange zu Hause ausgehalten. Immer wollte er so schnell wie möglich weg, weil es ihn an einen anderen Ort zog oder zu einem anderen Menschen.
Seit ihrer einen gemeinsamen Nacht hatte Grace ihn nie wieder so nah an sich herangelassen. Auf keinen Fall sollte er wissen, wie sehr er sie damals verletzt hatte. Und während die anderen ihn zur Begrüßung küssten und umarmten, zog sie sich erst mal zurück, bis die erste Aufregung abgeklungen war.
Außerdem sorgte sie dafür, dass sie auf den Partys, die er dann ausrichtete, immer einen männlichen Bekannten an ihrer Seite hatte. Einen Anlass zu feiern hatte er immer: seine erste eigene Firma, seinen ersten internationalen Geschäftsabschluss … oder seine Hochzeit …
Aber so zurückhaltend Grace sich ihm gegenüber in den letzten zehn Jahren gegeben hatte – jetzt klammerte sie sich fest an ihn. Sie gab sich seinen zärtlichen Küssen hin und atmete seinen unvergesslichen Duft ein. Ja, sie brauchte Josh. So sehr, wie sie ihn noch nie gebraucht hatte. Gleichzeitig wusste sie, dass dieses Gefühl einseitig war.
Er drückte sie nicht etwa deswegen so fest an sich, weil er selbst Trost und Halt suchte, sondern weil er wusste, dass sie sich danach sehnte. Es war alles genau wie damals.
Jahrelang hatte sie ihre Gefühle für ihn unter Verschluss gehalten. Hatte ihm gegenüber den lockeren Kumpel gegeben, ihn wegen seiner Outfits, seiner Freundinnen und seines Musikgeschmacks aufgezogen … bis sie schließlich zusammengebrochen war und ihm alles gestanden hatte.
Es war der Abend vor seiner Abreise gewesen. Nur, dass es am nächsten Tag nicht wie so oft zurück auf die Universität gehen sollte oder auf einen Abenteuertrip mit seinen Freunden. Diesmal zog es Josh auf die andere Seite des Erdballs, wo er ein neues Leben aufbauen wollte.
Grace war außer sich gewesen. Weil sie ihre Verzweiflung nicht in Worten ausdrücken konnte, hatte sie einfach die Arme um ihn geschlungen. Und er war darauf eingegangen – vielleicht auch aus Unsicherheit, schließlich stand er kurz davor, alles Vertraute hinter sich zu lassen.
Sie machte ihm keinerlei Vorwürfe dafür, dass er sich genommen hatte, was sie ihm so bereitwillig angeboten hatte. Genau das hatte sie sich schließlich gewünscht, und zwar schon sehr lange. Allerdings hatte sie sich dabei einem fatalen Trugschluss hingegeben: Sie war davon ausgegangen, dass er bei ihr bleiben würde, wenn er begriff, was sie für ihn empfand.
Aber das war damals für ihn nicht infrage gekommen.
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