Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Titel: Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
Vom Netzwerk:
nee, Marika«, sagte Hannah. »Muss das sein?«
    »Dir bleibt eben nichts erspart, liebe Frieda«, sagte meine Mutter und sah dabei schon fast aus wie Lotte.
    »In Gottes Namen«, antwortete Hannah. Sie holte ein paarmal tief Luft. Dann trat sie ans Bett und rief: »Joschi, soll das etwa heißen, dass alles eine Lüge war – unsere Liebe und unser Traum von einer gemeinsamen Zukunft? Warum hast du mich die ganze Zeit nur hingehalten und mir die anderen Dinge einfach verschwiegen?«
    Gabor blinzelte heftig. Offenbar fiel ihm keine Antwort ein, aber was hätte man darauf schon sagen können?
    »Ich hab dir immer vertraut, Joschi.« Jetzt war meine Mutter dran. »Ich habe dich nie gefragt, was du sonst noch so treibst, wenn wir nicht zusammen sind. Ich dachte, du würdest dich genauso auf deine kleine Familie freuen wie ich. Ich dachte, du suchst nach einer anständigen Arbeit. Ich dachte …«
    »Ich dachte, ich wäre die Einzige, die dein gebrochenes Herz heilen könnte«, warf Hannah dazwischen.
    »Nein, das bin natürlich ich«, sagte meine Mutter.
    Ich hatte das Gefühl, dass es für Louise an dieser Stelle nicht viel Text gab, also hielt ich mich erst mal zurück.
    »Ich wollte ein Kind von dir, damit du dich endlich entscheidest«, sagte Hannah.
    »Ähm, also – ich habe dir immer gesagt, dass ich keine Kinder mehr will.« Auf einmal kam Leben in Gabor. »Kinder brauchen einen Vater und kein, äh, Gespenst. Genau, das ist es. Ich bin ein Gespenst! Ein Gespenst!«
    » Ich habe kein Gespenst geheiratet«, sagte meine Mutter trotzig.
    »Nein. Nein, du hast einen Vampir zum Mann«, erwiderte Gabor. »Ich bin süchtig nach deiner Schönheit und deiner Lebensfreude. Ich habe dich verraten. Ich habe Frieda verraten. Ich habe allen Grund, mich umzubringen.«
    »Na, na«, sagte ich als Louise, weil ich jetzt doch fand, dass ich etwas sagen sollte.
    »Du hast überhaupt keinen Grund, dich umzubringen«, widersprach meine Mutter. »Du hast gerade ein weiteres Kind gezeugt, also kümmer dich gefälligst.« Sie hielt einen Moment inne und meinte dann: »Nein, das war jetzt nicht Lotte, das war ich. Lotte hätte gesagt: Aber Selbstmord ist niemals ein Ausweg, Joschi. Wir können für jedes Problem eine Lösung finden, wenn wir nur zusammenbleiben!«
    »Ich geh dann mal«, sagte Hannah resigniert.
    Ich wollte Gabor gern zurufen, er solle Hannah sagen, dass sie bleiben sollte und dass er sich auf ihr Kind freue, aber ich befürchtete, dass ich damit den Lauf der Geschichte verändern würde. Ich wollte auch, dass sich meine Mutter und Hannah, die sich als Lotte und Frieda an der Längsseite des Betts gegenüberstanden, endlich mal ansehen und mögen würden, aber auch das schien angesichts der zukünftigen Entwicklungen ausgeschlossen. Vor allem aber wollte ich, dass Louise endlich mal was Vernünftiges zum Verlauf der Weltgeschichte beitrug, Scheiß auf das Raum-Zeit-Kontinuum.
    »Also jetzt hört mal zu«, sagte ich. »Sollten wir uns nicht als Allererstes darüber freuen, dass Joschi überlebt hat?«
    Drei Gesichter starrten mich schockiert an. Ich bat Louise in Gedanken um Verzeihung und sagte, was mir als Nächstes in den Sinn kam.
    »Vielleicht ist das alles hier nicht mehr zu retten, aber ich finde, dass unsere Kinder nicht darunter leiden sollten. Sie gehören doch irgendwie zusammen. Gabor würde sich bestimmt freuen, zwei kleine Geschwister zu haben. Er ist so einsam.«
    »Dann fliegt aber deine ganze Adoptionsgeschichte auf, Louise-Schätzchen«, sagte Hannah.
    »Na und?«, sagte ich. »Schluss mit den Geheimnissen. Wenn Joschi nichts aus der Zeit im Krieg erzählen möchte, ist das seine Sache. Aber unsere Kinder sollten wissen, wer sie sind und woher sie kommen. Und stolz darauf sein.«
    Und aufstehen und erzählen ihren Kindern , genau. Wenn meine Louise sich hier um Kopf und Kragen redete, geschah es zumindest, weil ich es so wollte. Gabor hatte sich in der Mitte des Betts halb aufgerichtet und rang nach Worten.
    »Ähm, Louise«, krächzte er. »Also, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll …«
    »Dann lass es doch bleiben«, sagte meine Mutter sanft.
    »Ja, Joschi, halt einfach mal den Mund«, sagte Hannah. »Vielleicht treffe ich mich später irgendwann mal mit Lotte und Louise, und wir reden in Ruhe darüber.«
    Wer weiß, was noch alles aus unseren fünfzehn Prozent Ungewissheit hätte werden können, wenn es in diesem Moment nicht neben dem Bett zu piepen begonnen hätte, erst langsam, dann immer

Weitere Kostenlose Bücher