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Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition)

Titel: Ein fabelhafter Lügner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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würde aber lieber nicht darüber reden.
    »Das ist überhaupt nichts Anstößiges«, behauptete Hannah. »Ich habe vor einiger Zeit einen Artikel darüber gelesen und dann ein bisschen im Internet nachgeforscht. Es gibt Privatinstitute, die können dir per Gentest sagen, woher deine Vorfahren stammen und ob sie jüdisch waren. Sie vergleichen dein Ergebnis mit anderen DNA-Profilen aus ihrer Datenbank, und wenn du Glück hast, finden sie sogar Leute, mit denen du verwandt bist. Weltweit.«
    »Vergiss es«, sagte Gabor.
    »Hannah, das ist Schwachsinn«, sagte meine Mutter.
    Hannah ließ sich nicht beirren. »Gabor, du bist der einzige Mensch auf dieser Welt, von dem wir wissen, dass er mit einer Kopie von Joschis Y-Chromosom herumläuft. Mit meiner eigenen Genanalyse kann ich höchstens in meiner mütterlichen Linie forschen. Komm, sei mal ein bisschen kooperativ. Ich kann dir ja die Ergebnisse verschweigen, wenn du nichts davon wissen willst.«
    »Nein«, sagte Gabor und behielt dabei das Wasserglas fest im Auge, aus dem er gerade getrunken hatte.
    »Warum denn nicht?«
    »Weil ich schon genug Ärger mit den beschissenen Genen meines Vaters habe, wenn du’s genau wissen willst.«
    Meine Mutter hatte allergrößte Mühe, Ruhe zu bewahren.
    »Gabor«, sagte Hannah besänftigend. »Niemand von uns würde bestreiten, dass du es mit Joschi am schwersten gehabt hast. Dass seine Gene jetzt für deine Lebensqualität herhalten müssen, finde ich allerdings etwas überzogen.«
    »Hannah«, antwortete Gabor und imitierte dabei Hannahs Tonfall. »Ich rede nicht von meiner verkorksten Kindheit, okay?«
    »Wovon redest du dann?«
    »Ich will das einfach nicht, basta.«
    »Aber was hast du mit den beschissenen Genen gemeint? Leidest du so sehr unter deiner Glatze?«
    »Hannah, hör jetzt endlich auf damit«, sagte meine Mutter.
    Gabor seufzte. Dann sagte er: »Ich bin krank.«
    »Was hast du für eine Krankheit?«, fragte meine Mutter. Ich glaube, sie war so froh über den unverhofften Themenwechsel, dass sie sogar bereit gewesen wäre, sich stundenlange Krankengeschichten anzuhören. Meine Mutter sagt von sich, dass sie unfähig sei, mit Krankheiten umzugehen, mit ihren eigenen genauso wenig wie mit denen anderer. Ich kann das bestätigen. Wenn ich krank werde, versorgt sie mich mit Essen, Homöopathie, ausreichend Lektüre und einem Telefon in Reichweite, damit ich mich anderswo bedauern lassen kann. Es hat bisher ganz gut funktioniert.
    »Hämochromatose.« Gabor presste den Namen aus sich heraus wie den letzten Rest Zahnpasta aus einer Tube.
    »Nie gehört«, sagte meine Mutter.
    »Kennt auch kaum einer, dabei ist es eine der häufigsten Erbkrankheiten hierzulande.«
    Ich durchkämmte meinen Fremdwortschatz und kam auf buntes Blut, aber das konnte es wohl kaum sein.
    »Haben wir das auch?«, fragte Hannah.
    »Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht. Es gehören zwei dazu, die das gleiche kaputte Gen mitbringen, ohne selber die Krankheit zu haben. Joschi und Louise waren das Traumpaar schlechthin.«
    Vor meinem geistigen Auge tauchten die Illustrationen aus meinem Biologiebuch auf: Mendel’sche Erbsenblüten und Bach’sche Bluter.
    »Bist du so was wie ein Bluter, Gabor?«, fragte ich, dabei hatte ich mich eigentlich nicht einmischen wollen in dieses Gespräch.
    »Nein, Lily, andersrum«, sagte Gabor. »Ich muss mir ein- bis zweimal im Monat einen halben Liter Blut abnehmen lassen. Wenn ich das nicht machen würde, wäre bald so viel Eisen in meinen Organen und Gelenken, dass ich an jedem Magneten hängen bleiben würde.«
    Ich vermute, das sollte eine kindgerechte Erklärung für mich sein, aber ich fand sie trotzdem bedrohlich. Mit fiel wieder ein, wie Gabor sich die Finger im Auto und später im Café massiert hatte.
    »Hast du Schmerzen?« Meine Mutter, sachlich wie immer. Gleich würde sie das Telefon bringen.
    »Ja. Aber man gewöhnt sich dran. Ich habe die Diagnose vor zwanzig Jahren bekommen, allerdings haben sie fast fünf Jahre gebraucht, um es überhaupt rauszukriegen. Sie hielten mich lange Zeit für einen Alkoholiker, weil meine Leberwerte so schlecht waren. Lag ja auch nahe, schließlich gab es ja schon ein weiteres Alkoholproblem in der Familie. Irgendwann kam endlich mal jemand darauf, einen Gentest zu machen. Seitdem hat das Ding einen Namen, und einen hübschen noch dazu.«
    Gabor lachte sein seltsames Lachen, und ich rechnete mir aus, wie viel Blut sie ihm in den letzten zwanzig Jahren abgezapft haben

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