Ein Fall für Kay Scarpetta
Griff des Messers hatten ein anderes Verteilungsmuster. Sie waren zufällig verstreut, ganz ähnlich wie die Spuren auf den Leichen der Frauen verstreut waren", erklärte ich weiter.
"Sie meinen, wenn Petersen dieses >Sun Blush< an seinen Fingern gehabt hätte, dann wären glitzernde Flecken auf dem Messer und nicht vereinzelte Spuren."
"Genau das meine ich."
"Schön, und was ist mit dem Glitzerkram, den Sie an den Leichen, an den Fesseln und so weiter gefunden haben?"
"An Loris Handgelenken waren genügend hohe Konzentrationen, um es zu untersuchen. Es war Borax."
Er schaute mich an. "Also haben wir es mit zwei verschiedenen glitzernden Substanzen zu tun."
"So ist es."
"Hm."
Wie die meisten städtischen und staatlichen Gebäude in Richmond ist das Polizeihauptrevier mit Stuck verziert. Seine matte Häßlichkeit wi rd nur durch die leuchtenden Farben der Flaggen Amerikas und des Bundesstaates aufgelockert, die auf dem Dach flatterten. Marino parkte rückwärts in eine Reihe von Polizeiautos ein.
Wir gingen in die Vorhalle und kamen an dem Informationsschalter hinter Glas vorbei. Beamte in Dunkelblau grinsten Marino an und sagten "Hi, Doc" zu mir. Ich sah auf meine Kostümjacke hinunter und war erleichtert, daß ich daran gedacht hatte, meinen Kittel auszuziehen. Ich war so daran gewöhnt, ihn zu tragen, daß ich es manchmal vergaß. Wenn ich ihn versehentlich außerhalb meines Gebäudes trug, dann fühlte ich mich, als wäre ich im Schlafanzug.
Wir liefen an schwarzen Brettern vorbei, die vollgehängt waren mit Zeichnungen von Kinderschändern, Betrügern und Hochstaplern und Wald-und-Wiesen-Gaunern. Da hingen Verbrecherfotos von den zehn meistgesuchten Einbrechern, Triebtätern und Mördern Richmonds. Einige von ihnen lächelten sogar in die Kamera. Sie waren in die Geschichte der Stadt eingegangen. Ich folgte Marino eine Treppe hinunter, unsere Schritte hallten dumpf auf den Metallstufen. Wir blieben vor einer Tür stehen, wo Marino durch ein kleines Glasfenster sah und jemandem ein Zeichen gab. Die Tür ging auf.
Es war die Funkzentrale, eine unterirdische Kabine voller Schreibtische und Computerterminals, die mit den Telefontafeln verbunden waren. Hinter einer Glaswand befand sich ein Raum mit Funkern, für die die Vorgänge in der Stadt ein Videospiel waren; Telefonisten schauten neugierig zu uns herüber. Einige waren mit Anrufen beschäftigt, andere unterhielten sich angeregt oder rauchten, die abgenommenen Kopfhörer hingen ihnen um den Hals. Marino führte mich in eine Ecke, wo Regale standen, die mit den Dosen mit Tonbandspulen vollgepackt waren. Jede Dose war mit einem Da tum versehen. Er ließ seinen Finger an den Stapeln hinabgleiten und zog eine nach der anderen heraus, fünf insgesamt. Jedes Band umfaßte die Zeitspanne von einer Woche.
Er lud sie auf meine Arme und brummte: "Fröhliche Weihnachten." "Was?" Ich sah ihn entgeistert an.
"Hey!" Er nahm seine Zigaretten heraus. "Ich muß mich um Pizzaläden kümmern. Da drüben ist ein Recorder." Er wies mit seinem Daumen in Richtung des Funkraumes hinter der Glaswand. "Hören Sie es sich entweder da drinnen an oder nehmen Sie sie mit in Ihr Büro. Wenn ich Sie wäre, dann würde ich alles so schnell wie möglich aus diesem Affenhaus rausbringen, aber das habe ich Ihnen nicht gesagt, okay? Die Dinger sollten das Gebäude nicht verlassen. Geben Sie sie einfach zurück, wenn Sie durch sind, an mich persönlich."
Ich bekam Kopfschmerzen.
Als nächstes brachte er mich in einen kleinen Raum, wo ein Laserdrucker Kilometer von grün gestreiftem Papier ausspuckte. Der Papierstapel auf dem Boden war bereits einen halben Meter hoch.
"Ich habe die Jungs hier unten angerufen, bevor wir Ihr Büro verlassen haben", erklärte er lakonisch. "Hab' sie alles ausdrucken lassen, was der Computer von den letzten zwei Monaten zu bieten hat."
O Gott!
"Die Adressen und alles andere sind also da drin." Seine ausdruckslosen braunen Augen sahen mich an. "Sie werden sich die Hartkopien anschauen müssen, um zu sehen, was auf dem Bildschirm erschien, als das Telefonat geführt wurde. Ohne die Adressen werden Sie nicht wissen, welcher Anruf woher gekommen ist."
"Können wir nicht einfach das im Computer aufrufen, was wir
wissen wollen?" fragte ich, der Verzweiflung nahe.
"Kennen Sie sich mit Großrechnern aus?" Natürlich nicht.
Er sah sich um. "Niemand in diesem Laden hat einen Schimmer von Großrechnern. Wir haben einen Computerfachmann oben. Zufällig ist der
Weitere Kostenlose Bücher