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Ein Fall für Perry Clifton

Ein Fall für Perry Clifton

Titel: Ein Fall für Perry Clifton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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ältliche
Krankenschwester fällt, die schüchtern, als würde sie selten in die große Stadt
kommen, dem Verkaufstisch zustrebt.
    Billy
stellt sich in Positur, fährt sich schnell noch einmal über den Scheitel und
flötet in seiner freundlichsten Tonart:
    „Na,
Schwester, haben Sie sich verlaufen?“
    Da
trifft ihn ein schneller, stechender und zugleich forschender Blick aus ihren
Augen, und unwillkürlich zieht „Mister Mannequin“ etwas die Schultern ein. „Von
der möchte ich mir kein Fieber messen lassen“, durchzuckt es ihn bei dem
Gedanken an einen möglichen Krankenhausaufenthalt auf ihrer Station.
    Und
etwas reservierter fügt er fragend hinzu: „Oder wollten Sie zu mir?“
    „Ich
möchte einen Brillantring kaufen!“
    Billy
Higgins hatte Mühe, seine Verwunderung zu verbergen. „Sie möchten einen
Brillantring kaufen?“ wiederholt er mechanisch, und es klingt, als sei er der
Überzeugung, die Krankenschwester habe sich einen schlechten Scherz mit ihm
erlaubt.
    „Ja!“
    „Oh,
bitte, Schwester...“ erinnert sich Higgins plötzlich seines Berufs und ertappt
sich gleichzeitig dabei, wie er die Stimme der Schwester mit der seines
Hauswirtes vergleicht. Sie ist ebenso tief wie voll.
    „Wieviel
möchten Sie denn anlegen, Schwester?“ fragt er und ist gleichzeitig überzeugt,
daß ihre Antwort bei zehn oder zwanzig Pfund liegen wird.
    „Auf
keinen Fall mehr als zweihundert Pfund“, erwidert die Schwester mit einem
verschämten Augenaufschlag, zu dem der scharfe, stechende Blick im Widerspruch
steht.
    „Zwei...
zwei... zweihundert Pfund?“ stottert der elegante Billy entgeistert und läßt
seinen Blick von der gestärkten Haube bis zu den in Wollhandschuhen steckenden
Händen gleiten.
    „Es
wird doch nicht verboten sein, sein sauer verdientes Geld in Schmuckstücken
anzulegen — oder?“
    „Oh, nein, Schwester“, schluckt Billy und
zwingt sich zu einem schmalen Lächeln. ,Vielleicht handelt sie heimlich mit herausoperierten Blinddärmen’, überlegt er, während er
eifrig nach einigen passenden Ringen sucht. ,Blödsinn, Billy“, beantwortet er
sich selbst. ,Wer kauft schon gebrauchte Blinddärme.“
    „Bitte,
Schwester, wie gefällt Ihnen dieser hier?“
    „Kostenpunkt?“
    „Zweihundertvierzig
Pfund!“
    Erschrocken
fährt „Mister Mannequin“ zurück, als ihm die Schwester im gleichen Moment mit
ihrer Baßstimme zuzischt:
    „Habe
ich vorhin chinesisch gesprochen — oder sagte ich klar und deutlich, daß ich
höchstens zweihundert Pfund ausgeben wolle?“
    „Sie
sagten es, Schwester“, beeilt sich Billy zuzugeben und ringt mühsam nach
Fassung.
    „Na
also — was kostet dieser hier?“
    „Hundertachtzig
Pfund...“
    „Hm...
sehr schön...“
    „Hat
er nicht ein prächtiges Feuer?“
    „Der
gefällt mir. Ich würde mir trotzdem gern noch etwas anderes ansehen...“
    Als
die Schwester den Ring zurücklegen will und Billy Higgins schon die Hand zum
Entgegennehmen aufhält, geschieht es.
    Durch
eine kleine Ungeschicklichkeit gleitet der Ring aus der Hand der Schwester.
    Ein
leises helles Klirren ertönt, als er im Fall die Glasscheibe streift. Billy
verzieht keine Miene. Noch nicht. So ein Malheur kann schließlich mal
passieren. Fast abwesend blickt er auf den Rücken der Schwester, die sich
suchend nach unten neigt.
    Endlich
taucht sie mit rotem Kopf wieder auf. In ihren Augen glimmt ein ängstlicher
Schimmer, als sie mit ihrer dunklen Stimme spricht:
    „Es
tut mir leid, Mister, aber ich kann den Ring nicht sehen.“
    Billy
Higgins vergißt für Sekunden das Atmen. Dann erwidert er heiser:
    „Machen
Sie keine schlechten Witze, Schwester. Hundertachtzig Pfund sind kein
Pappenstiel.“
    „Er
muß irgendwo druntergerutscht sein“, seufzt die Krankenschwester und neigt sich
wieder nach dem Boden.
    Mit
einer ihm sonst fremden Eile setzt der schöne Billy mit einem Sprung über den
Ladentisch und läßt sich auf die Knie nieder. Ungeachtet seiner scharfen
Bügelfalten.
    Es
stört ihn nicht, daß einige Kunden spöttische Bemerkungen machen.
    Als
kurz darauf der Chef der Etage hinzukommt, beginnt das gleiche Spiel wie drei
Tage zuvor bei Cook & Small. Und wie bei Cook & Small die
Brosche, bleibt auch der Ring verschwunden.
    Oberschwester
Josefine Asher vom St.-Christobal-Hospital verläßt kurz nach elf Uhr
wutschnaubend und mit einer Anzeige drohend das Warenhaus „Exquisit“.
    Billy
Higgins jedoch ist völlig erledigt. Verzweifelt rauft er sich seinen nach
Pomade duftenden

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