Ein Fall für Perry Clifton
scheint.
Unaufhaltsam
strebt er dem Steg zu den Hausbooten zu ...
Perry
Clifton hat den Mann in diesem Augenblick ebenfalls gesehen.
Und
es gibt keinen Zweifel daran, daß er zu den Booten will.
Nur
noch Sekunden... die schweren Tritte des Unbekannten poltern über die Planken.
Wieselschnell
und geräuschlos ist Perry zur Tür gehuscht. Die Schritte sind verstummt. Der
Mann steht von Perry nur noch durch eine Holztür getrennt...
Ein
zögerndes Klopfen...
Mit
einem Krach hat Perry die Tür aufgerissen. Mit eisernem Griff krallen sich
seine Finger in die Joppe des entsetzten Mannes.
„Heiliger
Strohsack...“ stammelt der Fremde erschrocken und macht eine abwehrende
Bewegung... „Müssen Sie mich so erschrecken, Mister... nun lassen Sie doch
schon meine Jacke los!“
„Sie
scheinen keine guten Nerven zu haben... hatten wohl nicht mit mir gerechnet,
he?“ Perrys Stimme ist spöttisch, und doch spürt man die Wachsamkeit in seinen
Worten. Er ist seiner Sache so sicher, daß ihn die Enttäuschung um so härter trifft.
Nämlich,
als der Mann jetzt sagt: „Wieso nicht erwartet? Wäre ich sonst hierhergekommen?
Hier — ich soll Ihnen diesen Brief geben.“
Perry
hat den Mann losgelassen, der in seiner Joppentasche zu nesteln beginnt. Mit
wütendem Gesicht hält er Clifton einen zerknitterten Brief hin.
„Brief?...
Was für einen Brief?“ Perry Clifton scheint restlos durcheinander zu sein.
Diesmal ist der Spott auf seiten des Mannes.
„Bin
ich ein Hellseher? Die Lady hat nur gesagt, daß ich den Brief hier auf dem Boot
abgeben soll.“
„Das
muß ein Irrtum sein, lieber Mann. Ich gehöre nicht auf das Boot.“
„Hm...“
nuschelt der Fremde, „sie sagte eigentlich noch was von einem Jungen...“
Perrys
Verblüffung wächst weiter. „Dicki??... der ist auch hier...“
„Dann
wird es schon stimmen... ach, ich soll Ihnen noch sagen, daß der Hund am
liebsten warme Milch trinkt.“
Perrys
Stimme ist heiser vor Erregung. Unwillkürlich greift er nach dem Arm des
anderen.
„Wie
sah die Lady aus?“
„Lassen
Sie mich doch los... wie soll sie schon ausgesehen haben. Wie ‘ne verschleierte
Lady eben aussieht. Außerdem hat sie mir ein ganzes Pfund für den Weg
gegeben... Kann ich jetzt gehen?“
Clifton
scheint die Frage nicht gehört zu haben.
„Würden
Sie die Dame wiedererkennen?“
„Kaum.
Ich habe Ihnen doch gesagt, daß sie einen Schleier vor der Nase hatte... aber
da fällt mir noch etwas ein: sie hatte eine sehr tiefe Stimme.“
Perrys
Stimme ist jetzt ruhig und sachlich. Er hat sich wieder in der Gewalt. Und mit
leiser Stimme fragt er:
„Wo
hat Sie Ihnen den Brief gegeben?“
„Am
Soloster-Square... ungefähr zehn Minuten von hier.“
„Hören
Sie: Sie gehen jetzt am besten mit mir zu Scotland Yard...“
„Scotland
Yard?“ Der Fremde ist ehrlich erschrocken. Und bevor Perry eine Reaktion zeigen
kann, hat ihn der Mann vor die Brust gestoßen, daß er einige Schritte
zurücktaumelt. Als er wieder festen Halt hat, hört er, wie sich die hastenden
Schritte des Fremden im Nebel verlieren.
Wenige
Minuten später erreicht Perry Clifton seinen Wagen. Behutsam setzt er den
Dackel auf die Sitzbank im Fond. „Ich habe gesehen, wie der Mann fortgerannt
ist... Wollte er stehlen?“ In Dickis Stimme schwingen noch die Aufregungen der
letzten Minuten nach.
„Nein“,
antwortet Perry. „Er hat mir nur einen Brief gebracht... Als ich ihn
aufforderte, mit zu Scotland Yard zu kommen, suchte er fluchtartig das Weite...
Wahrscheinlich ist er dort kein Unbekannter.“
„Und
von wem ist der Brief?“
„Schalte
mal die Innenbeleuchtung ein, dann werden wir es bald wissen.“
Perry
Clifton kann es nicht verbergen, daß seine Hand ein wenig zittert, als er den
Brief jetzt mit dem Finger aufschlitzt...
„Bitte,
Mister Clifton, lesen Sie laut...“ wünscht Dicki. Und Perry Clifton liest:
„Lieber Mister! Ich möchte Ihnen dringend raten, Ihre Nase nicht in Dinge zu
stecken, die Sie nichts angehen. Fassen Sie das als ernste Warnung auf... hm,
keine Unterschrift...“
„Vielleicht
kann man an der Handschrift . . will Dicki eifrig
vorschlagen, doch Perry winkt ab.
„Die Dame war so schlau, mit
Druckbuchstaben zu schreiben...Tja, Dicki, die Angelegenheit wird immer
verworrener und immer gefährlicher...“, und nachdenklich fügt er hinzu, „es
steht fest, daß die Dame mit unserem Erscheinen in der Wourcester-Street
gerechnet hat... Sie muß also wissen, daß ich hinter ihr her bin...
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