Ein Fall zu viel
selten intuitiv.
Sie lachte, beugte sich noch weiter zu ihm hinunter, schob ihren Arm unter den seinen und trank einen Schluck aus dem Glas. Offensichtlich wertete sie seine Worte als Zustimmung. »Auf Willibald und Katharina.«
Bisher hatte sie an der Längsseite des Tisches gestanden, nun setzte sie sich neben ihn. Ihr Mund kam seinem Gesicht gefährlich nah. Pielkötter zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, dann umarmte er sie, schmeckte den Wein auf ihren Lippen, auf ihrer Zunge. Wie selbstverständlich knöpfte er die Seidenbluse auf, zog ihr nach und nach alle Kleidungsstücke aus, bis sie völlig nackt in seinen Armen lag. Als auch er schließlich nichts mehr an seinem Körper trug und sein Slip wie eine Mütze auf einem der Sofakissen lag, nahm Katharina seine Hand und zog ihn hoch.
»Komm«, flüsterte sie mit rauer, verheißungsvoller Stimme und führte ihn ins Schlafzimmer.
24. Kapitel
»Chef, was ist denn mit Ihnen los, Sie sehen aus, als hätten Sie es am Wochenende ganz schön toll ge…«, Barnowski stockte. »Also, ich wollte sagen, dass Sie nicht gerade nach viel Schlaf aussehen. Ist Ihre Frau eigentlich schon aus Mailand zurück?« Jetzt grinste er penetrant.
Pielkötter hatte plötzlich das Gefühl, unnötige Hitze stiege ihm zu Kopf. Zwar stimmte die schlüpfrige Vermutung nicht ganz. Schließlich war er am Samstag und Sonntag wieder nach Münster zu seinem Vater gefahren. Aber Barnowski hatte ja auch nicht völlig Unrecht.
»Eigentlich wollte ich Ihnen nur den Bericht der Spurensicherung zurückbringen«, erklärte sein Mitarbeiter schnell. Ihm war klar, dass er sich zu weit vorgewagt hatte. »Leider habe ich auch beim wiederholten Durchgehen nichts gefunden, wo wir noch ansetzen könnten. Der Fall Erwin Lützow gibt einfach nichts her. Kein Motiv, keine Zeugen, keine Spur, die ein Verbrechen andeutet. Meiner Meinung nach ist eine Mordtheorie kaum aufrecht zu erhalten. Am besten wäre es wohl doch, die Sache als Unfall zu den Akten zu legen.«
»Denken Sie an den zweiten Schrei«, erwiderte Pielkötter müde. Nach Barnowskis Blick zu urteilen hatte dieser wahrscheinlich mit einer Moralpredigt gerechnet, aber danach war ihm in diesem Moment nicht zumute. Sein Kopf war voll mit anderen Dingen. Die Sorge um seinen Vater, auch wenn der schon alt war, und er als Sohn darauf eingestellt sein müsste. Vor allem aber konnte er immer noch nicht fassen, dass er Marianne gleich mehrfach betrogen hatte. Nach seinem eigenen Moralverständnis waren nun erhebliche Schuldgefühle angesagt, und genau die verspürte er auch. Dennoch bereute er nichts, absolut nichts. Selbst wenn es in seiner Macht gestanden hätte, die Nacht mit Katharina hätte er niemals ungeschehen machen wollen. Zumindest das wusste er. Aber wie sollte es nun weitergehen? Du musst mit Marianne sprechen, erklärte eine Stimme in seinem Kopf und drängte zum ersten Mal alles Berufliche in den Hintergrund.
Mit Wucht schlug Pielkötter die oberste Schublade seines Schreibtischs zu. Er wurde hier für andere Arbeit bezahlt, als über seine Ehe und Katharinas weiche Haut nachzudenken. Und im Moment gab es davon wahrlich genug. Selbst wenn der Unfall von Christiane Altenkämper so gut wie zu den Akten gelegt war, blieb der Fall Erwin Lützow, bei dem sich alles noch viel weniger eindeutig darstellte. Eigentlich seltsam, überlegte er, bei einem Unfall haben wir ein Mordmotiv, bei dem anderen liegen mehr Indizien für eine Straftat vor, nur fehlt das Motiv.
Das Telefon klingelte ihn aus seinen Gedanken.
»Petra Ochtrup. Ich habe gehört, dass Sie zuständig sind«, vernahm Pielkötter die Stimme einer hörbar aufgeregten Frau.
»Worum geht es denn?«
»Um Christiane, also, um Christiane Altenkämper, meine Schwester. Ich bin noch total durcheinander.«
»Dann erst einmal mein herzliches Beileid.«
»Irgendwie kann ich nicht glauben, dass sie tot ist.«
»Ja, das ist schwer zu begreifen, vor allem, wenn es so plötzlich kommt.« Er dachte kurz an seinen Vater. In dessen Alter … »Wie haben Sie davon erfahren?«, fragte Pielkötter mitfühlend. »Bisher habe ich vergeblich versucht, Sie zu erreichen.«
»Mein Arbeitgeber, ich bin Stationsschwester im St. Clemens Krankenhaus, hat mich zu einer Fortbildung geschickt. Qualitätsmanagement auf der Krankenstation. Davon hat mein Schwager natürlich nichts gewusst. Sie können sich vorstellen, dass ich keinen guten Kontakt mehr zu ihm habe. Erst gestern Abend hat er mich nach meiner
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