Ein Fall zu viel
unübersehbar große Statue an der Ecke zur Düsseldorfer, über die sich die Duisburger Geister streiten.«
»Ach, die meinen Sie. Ja, die kenne ich.« Sie lächelte ihn an. »Da haben wir dieselbe Richtung.«
Kaum fünfzehn Minuten später hatten sie den monströsen David erreicht. »Ja dann«, sagte Pielkötter, weil ihm partout nichts Besseres einfiel.
»Wenn Sie das Blaulicht einschalten, sind Sie sicher eher bei mir zu Hause als ich«, erwiderte Katharina scherzhaft. Offensichtlich hatte sie weniger Probleme mit der Konversation. »Aber raten würde ich Ihnen dazu nicht. Das Bier gibt es schließlich erst, sobald ich auch angekommen bin.« Beim letzten Satz hatte sie sich schon halb abgewendet, und kurze Zeit später war sie vollkommen aus Pielkötters Blickwinkel verschwunden.
Aufgewühlt lief er zu seinem Wagen und setzte sich hinter das Steuer. Während er in gemäßigtem Tempo durch die Innenstadt zur Autobahn fuhr, jagte ein Gedanke den nächsten. Unterschiedlichste Gefühle überfielen ihn, Vorfreude, Angst vor den Konsequenzen, aber auch Wut. Wut auf Marianne, auf sich selbst. Warum hatten sie beide es nur so weit kommen lassen? Augenblicklich versuchte er, diese Überlegung zu verscheuchen. Zurück blieb die Frage nach Katharina. Seltsamerweise hatte er sie anders wahrgenommen. Etwas scheuer, schüchterner. Täuschte ihn seine Erinnerung? Oder hatte sie sich in der Zwischenzeit einfach verändert? Gut möglich, immerhin war sie nun nicht mehr die Haushälterin einer reichen Familie, sondern eine selbstständige Übersetzerin, auch wenn sie mit den Aufträgen ihren Lebensunterhalt noch nicht vollständig bestreiten konnte.
So langsam, wie er nun auf eine grüne Ampel zurollte, hätte er jeden anderen, allen voran Marianne, dafür kritisiert, aber heute achtete er kaum darauf. Er hatte es nicht eilig. Sicher hielt ihn die Höflichkeit zurück, der Gastgeberin den Vortritt zu lassen, vielleicht auch die unbewusste Angst, sich auf ein Abenteuer einzulassen, dessen Folgen er kaum abschätzen konnte.
Als er das Haus in Duisburg-Baerl, in dem Katharina Gerhardt wohnte, fast erreicht hatte, stieg sie gerade aus ihrem Auto. Pielkötter seufzte. Immerhin hatte das Timing schon einmal geklappt. Während auch er seinen Wagen verließ, winkte sie ihm zu. In gewisser Weise beflügelte ihn diese Geste, und er holte sie mit großen Schritten noch vor der Haustür ein. Zusammen betraten sie ihre Wohnung.
Soweit er das beurteilen konnte, hatte sich seit seinem letzten Besuch nichts verändert, zumindest rein äußerlich. Für Katharinas Zurückhaltung traf das wohl nicht so ganz zu, und auch nicht für sein Innenleben.
»Ich habe Ihnen Bier als Entschädigung angeboten«, erklärte sie, während sie ihn mit einer Handbewegung aufforderte, auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer Platz zu nehmen. »Aber lieber würde ich ein Gläschen guten Wein mit Ihnen trinken.«
Pielkötter dachte kurz daran, dass er noch zurückfahren musste, empfand das schließlich jedoch nicht als Problem. Ein Glas konnte nicht schaden. Zudem hatte er nicht vor, sofort wieder aufzubrechen.
»Gut, nehmen wir den Wein«, erwiderte er.
Während Katharina Gerhardt in der Küche verschwand, sah sich Pielkötter in dem Raum um. Die Großaufnahme an der gegenüberliegenden Wand gefiel ihm. Das Bild zeigte ein Landhaus in der Provence, umgeben von einem blühenden Lavendelfeld. Zu gerne hätte er sich jetzt dorthin zurückgezogen, allerdings nicht allein. Ehe er entschieden hatte, ob auch Marianne als Begleitung infrage kam, kehrte Katharina mit einer Weinflasche und zwei Gläsern zurück.
»Ein trockener Riesling«, erklärte sie. »Ich hoffe, Sie mögen solchen Wein. Ansonsten …«
Pielköter winkte ab. »Genau richtig. Von Rotwein werde ich meist sehr schnell müde.«
Während sie einschenkte, beobachtete er sie, als wolle er die Beschreibung später zu Protokoll geben. Den langen, schlanken, immer noch fast faltenlosen Hals zierte eine Kette aus dunklen Steinen. Etwas tiefer erkannte er den Ansatz ihrer Brüste, besonders, weil sie sich hinunterbeugte. Der Anblick beschleunigte seinen Atem. Plötzlich hob sie den Blick und lächelte ihn auf seltsame Weise an. Ihm wurde heiß. Während sie ihm ein Glas reichte, berührten sich ihre Finger. Winzige Schweißtropfen traten auf seine Stirn.
»Auf was trinken wir?«, fragte sie, wieder mit diesem Augenaufschlag, der automatisch seine Fantasie anregte. Und nicht nur die.
»Auf uns!«, antwortete er
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