Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Fall zu viel

Ein Fall zu viel

Titel: Ein Fall zu viel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Scharenberg
Vom Netzwerk:
Einmalhandschuhe an? Sie hatte das seltsame Gefühl, nicht mehr in ihrem Körper zu sein. Nur die Augen schienen ihr zu gehören. Und die musste sie aufhalten. Sie musste sehen, was mit diesem fremden Körper passierte. Mühsam öffnete sie die Lider, die immer wieder zufallen wollten. Dr. Gerstenschneider war ganz nah. Während ihre Augäpfel zu zittern begannen, blitzte eine Injektionsnadel auf. Zu einem klaren Gedanken war sie nicht mehr fähig. Und sie spürte nichts, als die Nadel in ihre Vene stach.

37. Kapitel
    Pielkötter saß an seinem Schreibtisch und stützte den Kopf auf seine Hände. Plötzlich klingelte das Telefon.
    »Doktor Gerstenschneider hier«, vernahm er eine aufgeregte Stimme. »Sie haben mir doch Ihre Karte überlassen. Deshalb rufe ich Sie an. Es ist nämlich etwas Schreckliches passiert.« Der Arzt verstummte mit einem Mal, als müsse er sich erst dafür wappnen, diesem furchtbaren Ereignis einen Namen zu geben.
    Anscheinend ist der schwer erschüttert, dachte Pielkötter, während ihn ein sehr ungutes Gefühl beschlich. Oder der Mann schauspielerte einfach nur gut. Immerhin geriet er als Bindeglied zwischen den Opfern gehörig in Verdacht. »Was ist denn genau passiert?«, fragte er, als Gerstenschneider ihm zu lange schwieg.
    »Meine Sprechstundenhilfe …« Er stockte erneut. »Ich, ich habe sie heute morgen in der Praxis gefunden.«
    Um Himmels willen nicht Sandra Sölle, dachte Pielkötter. Unwillkürlich fühlte er eine Art Schlag in die Magengrube. Bleib ruhig, rief er sich zur Räson, der wird nicht nur eine Hilfe haben.
    »Sie war tot«, fuhr Doktor Gerstenschneider fort.
    »Sandra Sölle?«
    »Ja, leider«, sprach der Arzt aus, was er vermutet und zugleich befürchtet hatte.
    Während seiner Laufbahn hatte Pielkötter schon viel Schreckliches erlebt. Aber es war außergewöhnlich, dass er ein Opfer bereits vor dem Verbrechen kannte.
    »Frau Sölle war meine beste Kraft. Ich verstehe das nicht.« Gerstenschneider zögerte. »Sie, also, sie hat sich umgebracht. Mit einer Überdosis Morphin.«
    »Wieso sind Sie da so sicher?«, fragte Pielkötter hellhörig.
    »Zwei leere Ampullen lagen neben ihr«, antwortete der Arzt für Pielkötters Empfinden eine Spur zu schnell. »Einen Abschiedsbrief gibt es übrigens auch.«
    Gerstenschneiders Stimme hatte für einen kurzen Moment fast siegessicher geklungen. Pielkötter stutzte. Und was hieß gibt es ? Hatte ein Abschiedsbrief irgendwo herumgelegen oder hatte Sandra Sölle einen Abschiedsbrief geschrieben? Das war ein gewaltiger Unterschied. Im Laufe seines Berufslebens hatte er gelernt, solch unterschiedlichen Formulierungen eine Bedeutung beizumessen. Eines war jedoch sicher, dieser Arzt war ihm sehr suspekt, und er würde ihm genau auf die Finger sehen. In diesem Fall wollte er alle Register ziehen, selbst wenn sich Lochhausner auf den Kopf stellen sollte.
    »Ich nehme an, Sie sind jetzt in Ihrer Praxis«, sagte er laut.
    »Ja«, antwortete Gerstenschneider nun wieder mit kläglicher Stimme.
    Pielkötter war bisher nie aufgefallen, wie viel Jammer man allein durch die Tonlage in einem einzigen kurzen Wort ausdrücken konnte.
    »Dann bleiben Sie bitte vor Ort und rühren nichts an. Wir werden so schnell wie möglich bei Ihnen sein.«

38. Kapitel
    Gerstenschneider rieb sich die Hände. Das hatte ja besser geklappt als erwartet. An ihm war wirklich ein Schauspieler verloren gegangen. Offensichtlich hatte ihm dieser Kommissar die Rolle des völlig verstörten Chefs abgenommen. Allerdings durfte er sich nicht zu sicher fühlen. Am besten ging er noch einmal die Antworten durch, die er sich für die Befragung zurechtgelegt hatte. Widerwillig sah er zu der Toten hinüber. Hatte er wirklich an alles gedacht? Die Flasche Wein und die Gläser hatte er gestern mitgenommen und unterwegs in irgendeinem Container für Altglas entsorgt.
    Auf der Spritze und der Ampulle würde man Sandra Sölles Fingerabdrücke finden. Um ein Haar hätte er das vergessen. Sie war schon halb nicht mehr in dieser Welt gewesen, als er ihr beides in die Hand gedrückt hatte. Gut, dass er rechtzeitig daran gedacht hatte, selbst keine Abdrücke zu hinterlassen. Obwohl er sich notfalls hätte rausreden können. Schließlich war das hier seine Praxis. Mit besonderem Stolz erfüllte ihn, dass er aufgepasst hatte, ihr in den rechten Arm zu spritzen. Sandra Sölle war Linkshänderin.
    Er lächelte. Wenn das alles geregelt war, würde er sich von Gina trösten lassen. Es wurde

Weitere Kostenlose Bücher