Ein Fall zu viel
mich nicht daran erinnern.«
»Doktor Gerstenschneider vielleicht?«, fragte Pielkötter, während er seinen Kugelschreiber so fest auf ein Notizblatt drückte, dass die Spitze abzubrechen drohte.
»Nein, tut mir leid. Da muss ich passen.«
»Trotzdem vielen Dank für Ihren Anruf«, erklärte Pielkötter erleichtert. »Den Namen bekomme ich auch ohne Ihre Hilfe heraus.«
Er hatte kaum aufgelegt, da klingelte sein Handy.
»Petra Ochtrup, Sie hatten um Rückruf gebeten.«
»Es geht um den letzten Arzt Ihrer Schwester«, kam er umgehend zur Sache. »Nach der Trennung hat sie doch den Arzt gewechselt, oder?«
»Ja, das ist richtig. Nur mit der Trennung hatte das nichts zu tun. Sie war einfach unzufrieden mit Doktor Ziegler.«
»Wichtig ist auch nur der Name des neuen Arztes.«
»Oh!« Petra Ochtrup stieß hörbar die Luft aus. »Ich bin sicher, Christiane hat ihn mehr als einmal erwähnt, aber im Moment fällt er mir nicht ein.«
»Vielleicht …«
»Warten Sie, ich hab’s gleich. Jedenfalls weiß ich, dass er seine Praxis in der Stadtmitte hat.«
Pielkötters Griff um den Kugelschreiber verstärkte sich. Die Finger der anderen Hand pressten sich auf die Schreibunterlage. Er hatte das Gefühl, ganz nah dran zu sein, und gleichzeitig Angst, die Spur im nächsten Augenblick wieder zu verlieren.
»Doktor Gerstenschneider?«, fragte er heiser. Die Angst vor einer Antwort, die alle Hoffnung erneut zunichte machte, schien sich auf seine Stimmbänder zu legen.
»Könnte schon sein, aber ich bin wirklich sehr unsicher«, antwortete Petra Ochtrup nach längerem Zögern.
Pielkötter stöhnte innerlich. »Bitte melden Sie sich umgehend, sollte es Ihnen wieder einfallen«, forderte er sie auf. »Vorerst vielen Dank. Ich melde mich bei Ihnen, sobald sich etwas Neues ergibt.«
Grübelnd zog er eine gestrichelte schwarze Linie, die das Kreuz C. A. mit Dr. Gerstenschneider verband. Welches weitere Vorgehen war nun angesagt? Sollte er nachforschen, ob Dr. Böhmer zu den Patienten dieses Arztes gehörte? Oder war damit nur überflüssige Zeit vertan? Er beschloss, gleich morgen früh den Arzt aufzusuchen.
36. Kapitel
Mit ungutem Gefühl schloss Sandra Sölle die Tür der Praxis auf. Dr. Gerstenschneider saß offensichtlich schon in seinem Sprechzimmer. Zumindest hatte sie von draußen Licht in diesem Raum gesehen. Sie atmete mehrmals tief ein. Zu gerne wäre sie dieser Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen, aber das durfte sie auf keinen Fall. Sollten sich ihre Befürchtungen bewahrheiten, stünden Menschenleben auf dem Spiel.
Der Vorraum war dunkel. Nur durch die Türritze des Sprechzimmers drang ein schmaler Steifen Licht.
Als sie plötzlich die Stimme ihres Chefs vernahm, zuckte sie automatisch zusammen. Sie hatte seine Worte zwar nicht genau verstanden, aber sie war sicher, dass sie sehr ärgerlich geklungen hatten. Zudem konnte sie kaum erwarten, dass er von dem begeistert war, was sie ihm letzten Mittwoch auf seinen Anrufbeantworter gesprochen hatte. Er war ein paar Tage weggefahren, und wohl erst heute Nachmittag zurückgekommen und hatte ihre Nachricht gehört.
»Frau Sölle, kommen Sie endlich herein«, hörte sie ihn jetzt ganz deutlich.
Eilig lief sie zum Sprechzimmer.
Dr. Paul-Martin Gerstenschneider saß hinter seinem Schreibtisch und blickte ihr mit wütender Miene entgegen. »Was erlauben Sie sich«, zischte er. »Glauben Sie wirklich, mir vorschreiben zu können, was ich als Arzt zu tun und zu lassen habe?« Seine Augen musterten sie mit einem eiskalten Blick.
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie verärgert habe«, erwiderte sie. »Aber es geht um die Gesundheit von Menschen. Deshalb kann ich nicht einfach so tun, als wäre alles in bester Ordnung.«
»Genau das«, erklärte er mit einer Feindseligkeit in der Stimme, die sie erschreckte. So wie in diesem Moment hatte ihr Chef sich bisher nicht einmal ansatzweise gebärdet. Der Kopf war gerötet, und am Hals trat eine dicke, hässliche Ader hervor. »Bis jetzt haben Sie die Tests doch für eine gute Sache gehalten. Zudem haben auch Sie ordentlich davon profitiert. Ich möchte die Sprechstundenhilfe sehen, die sich einen Mazda MX-5 leisten kann.«
Ihre Finger nestelten an den Knöpfen ihrer Bluse herum. »Aber da wusste ich noch nicht, welche Nebenwirkung das Mittel hat.«
»Haben kann«, verbesserte er, wobei er das letzte Wort besonders betonte. »Und zwar nur dann, wenn man die Anweisung des Arztes nicht befolgt. Ich gehe jede Wette ein, dass
Weitere Kostenlose Bücher