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Ein Fall zu viel

Ein Fall zu viel

Titel: Ein Fall zu viel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Scharenberg
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jeder von denen Alkohol zu sich genommen hat. Dabei habe ich es den Probanden ausdrücklich verboten.«
    »Trotzdem ist es zu gefährlich, einfach alles so weiterlaufen zu lassen«, wagte sie einzuwenden. »Sie wissen doch, wie oft sich Patienten über die ärztlichen Ratschläge hinwegsetzen.«
    »Die Entscheidungen müssen Sie schon mir überlassen«, entgegnete er barsch. In seiner Stimme schwang ein seltsamer Unterton mit, der sie frösteln ließ. »Für einen Ausstieg ist es ohnehin zu spät.«
    »Aber es sind doch noch weitere Probanden in Gefahr«, nahm sie allen Mut zusammen. »Sie sollten auf jeden Fall die Dosis reduzieren. Es war eindeutig ein Fehler, die vorgeschriebene Menge zu erhöhen.«
    Seine Faust donnerte auf den Schreibtisch. »Was erlauben Sie sich?«, schrie er ihr entgegen. »Sind Sie der Arzt oder ich?« Sein Blick aus eiskalten Augen ließ einen Schauer über ihren Rücken laufen. Ihre Knie begannen zu zittern. Am besten verließ sie sofort die Praxis. »Ich will mich nicht mit Ihnen streiten«, sagte sie beschwichtigend. »Denken wir in Ruhe darüber nach, was zu tun ist.«
    »Haben Sie mir zugehört? Es gibt nichts zu tun«, zischte er, wobei er jedes einzelne Wort betonte. »Wir haben keine Ahnung, ob diese Unglücksfälle tatsächlich mit dem Testmedikament zusammenhängen. Deshalb erkenne ich absolut keinen Grund für den Wirbel, den Sie veranstalten.«
    »Aber es sind doch gleich drei Patienten betroffen. Drei von fünfzehn, die Sie mit dem Mittel behandeln! Das sind zwanzig Prozent.«
    »Wieso drei?«, fragte er mit einer Stimme, die nicht zu der noch weiter hervorgetretenen Ader an seinem Hals zu passen schien. Erst recht nicht zu seinem unerbittlichen Blick.
    »Bei dem Dritten handelt es sich um Christoph Böhmer. Der hat alles ins Rollen gebracht. Aber das habe ich Ihnen doch auf Band gesprochen. Oder nicht?«
    »Ja, haben Sie«, erwiderte Dr. Gerstenschneider mit einem bitteren Lächeln und suchte in der Schublade seines Schreibtischs herum.
    »Jedenfalls war der Böhmer am Mittwochmittag hier in der Praxis, Sie waren schon gegangen«, erklärte sie. »Er war total aufgeregt, hat behauptet, am Abend vorher eine junge Frau mit einem Messer verletzt zu haben. Er wollte Sie unbedingt sprechen. Als ich ihm aber gesagt habe, Sie seien nicht da, und ihn fragen wollte, ob ich ihm irgendwie helfen könne, ist er aus der Praxis gelaufen. Er hat mir Angst gemacht, ich habe sogar versucht, ihn zu Hause anzurufen, aber da war er nicht, und eine Nummer von seiner Arbeit oder von seinem Handy war nicht eingetragen. Er ist auf eine Frau losgegangen, wollte sie verletzen!« Sie konnte es immer noch nicht fassen.
    »Und wir tragen jetzt die Schuld daran«, entgegnete er mit so viel Ironie wie möglich in der Stimme.
    »Anscheinend hat er Wahnvorstellungen gehabt. Und er hat vermutet, das sei eine Nebenwirkung des neuen Mittels.«
    Dr. Gerstenschneider lächelte mit einem Mal und hörte auf, in der Schublade herumzuwühlen.
    »Wenn es nur um Böhmer gehen würde«, fuhr sie fort. »Aber die Unfälle von Erwin Lützow und Christiane Altenkämper!« Ihre Stimme überschlug sich fast. »Von Lützows Tod wusste ich ja bereits durch diesen Kommissar. Als mir dann Frau Altenkämpers Schwester am Telefon auch noch von dem Autounfall erzählt hat …«, erschrocken hielt sie inne. Für einen kurzen Augenblick hatte sie eine maßlose Wut in den Augen ihres Chefs aufblitzen sehen. Im nächsten Moment jedoch war der Zorn aus seinem Blick verflogen. Oder hatte sie sich das nur eingebildet? Gingen die Nerven einfach mit ihr durch?
    Plötzlich erhob sich Dr. Gerstenschneider und lief zu einem Schrank, in dem er auch persönliche Sachen aufbewahrte. »Vielleicht haben Sie Recht«, erklärte er unerwartet, während er ihr den Rücken zudrehte. »Wir werden gemeinsam überlegen, wie wir den Schaden begrenzen können.«
    Als er sich umdrehte, hielt er eine Flasche Wein und zwei Gläser in der Hand. Irritiert nahm sie wahr, wie er damit zum Schreibtisch zurückkehrte.
    »Auf jeden Fall sollten wir das Mittel sofort bei allen Patienten absetzen«, sprudelte es aus ihr heraus.
    »Aber wir dürfen nichts überstürzen und müssen gut überlegen, wie wir jetzt vorgehen, damit niemand Verdacht schöpft. Kommen Sie, trinken Sie ein Glas Wein mit. Das entspannt. Ich brauch das jetzt. Meinen Sie, das lässt mich kalt?«
    Sie wusste nicht so recht, was sie von diesem Umschwenken halten sollte. Und wo kam der Wein auf einmal

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