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Ein Fall zu viel

Ein Fall zu viel

Titel: Ein Fall zu viel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Scharenberg
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langsam Zeit, dass er um ihre Hand anhielt. Er seufzte wohlig. Das bedeutete, garantiert nie wieder finanzielle Sorgen zu haben.
    Er lief zum Fenster und warf einen Blick auf die Straße. Von der Polizei war noch nichts zu sehen, aber er schätzte, dass sie jeden Moment eintreffen würde. Ruckartig wandte er sich um. Hatte er den Abschiedsbrief richtig drapiert? War sein Schreibtisch wirklich der beste Ort? Unwillig schüttelte er den Kopf. Er machte sich nur unnötige Sorgen. Wenn er schon nicht wusste, wo seine langjährige Sprechstundenhilfe einen Abschiedsbrief hinlegen würde, woher sollte es die Polizei dann wissen.
    Plötzlich traten einige Schweißtropfen auf seine Stirn. Trug der Abschiedsbrief überhaupt ihre Fingerabdrücke? Nun gut, er hatte das Papier von dem Packen genommen, der an der Anmeldung lag. Aber hatte sie dieses Blatt wirklich angefasst? Mit zwei hektischen Schritten erreichte er den Schreibtisch und wollte den Brief an sich reißen. Im letzten Moment jedoch besann er sich und rannte zu einer weißen Anrichte, auf dem eine Packung Einmalhandschuhe lag. Er zog ein Paar über und fasste das Blatt vorsichtig an. Anschließend wandte er sich zu seinem Opfer. Als er ihre Finger nahm, hatte die Totenstarre bereits vollständig eingesetzt. Jetzt hieß es hoffen, dass für seine Zwecke keine warme Haut notwendig war. So genau kannte er sich nicht mit Fingerabdrücken aus. Für einen Moment stieg Wut in ihm hoch. Warum hatte sie ihn in diese Situation gebracht? Das Experiment abbrechen, auf das Geld verzichten? Niemals.
    Ganz ruhig, ermahnte er sich und konzentrierte sich auf seinen Atem. Höchstwahrscheinlich war diese Mühe sowieso überflüssig. Die Sprechstundenhilfe hatte das Blatt sicher etliche Male angefasst. Eilig legte er es auf den Schreibtisch zurück. Die Unterschrift war perfekt. Dieses geschwungene S machte ihm so schnell keiner nach, außer Sandra Sölle selbst. Er lächelte erneut.

39. Kapitel
    Als Pielkötter zusammen mit der Spurensicherung in der Praxis eintraf, hing ein großes Schild an der Tür: Wegen eines Todesfalls findet heute keine Sprechstunde statt! Wenige Augenblicke nachdem sie geklingelt hatten, ließ Gerstenschneider sie herein.
    »Frau Sölle liegt in meinem Sprechzimmer«, sagte er mit seltsam verzogener Miene.
    Pielkötter ließ Drenck den Vortritt. »Während die Männer von der Spurensicherung ihre Arbeit aufnehmen, möchte ich mich gerne in Ruhe mit Ihnen unterhalten«, erklärte er dem Arzt.
    »Spurensicherung, bei einem so eindeutigen Selbstmord?«, fragte Dr. Gerstenschneider leicht irritiert. »Handhaben Sie das immer so?«
    Für jemanden, der den Tod seiner Angestellten noch nicht verdaut haben dürfte, stellt der ganz schön sachliche Fragen, überlegte Pielkötter.
    »Wir können uns in mein zweites Sprechzimmer setzen. Dort sind wir ungestört.«
    Ehe sie sich dorthin zurückziehen konnten, klingelte es. Pielkötter freute sich, als er Karl-Heinz Tiefenbach mit seinen glatten, aber für seinen Geschmack etwas zu langen dunkelbraunen Haaren sah. Wie fast immer schien er bester Laune zu sein. Und das bei seinem Beruf, oder gerade deshalb. Nach einer kurzen Begrüßung verschwand der Rechtsmediziner zum Ort des Geschehens.
    Pielkötter war froh, dass man ihn mit der Aufgabe betraut hatte, den Leichnam zu untersuchen. Im Gegensatz zu einigen seiner Berufskollegen brachte Karl-Heinz Tiefenbach den Toten den nötigen Respekt entgegen. Zumindest das hatte Sandra Sölle verdient. Aber der Eingriff der Rechtsmedizin war nötig, sie konnte helfen, den Mörder zu überführen.
    Irgendwie misstraute Pielkötter der Selbstmordtheorie. Er hatte die Sprechstundenhilfe persönlich kennengelernt. Sie hatte Humor besessen, ihren Beruf geliebt und einen sehr ausgeglichenen Eindruck auf ihn gemacht. Gut, das konnte täuschen. Trotzdem … das war kein Selbstmord. Und wenn Sandra Sölles Ableben nicht mit den anderen Unfällen zusammenhing, wollte er kein Kommissar mehr sein.
    »Hier herein, bitte!«, fuhr Dr. Gerstenschneider mitten in seine Gedanken.
    Der Raum erschien Pielkötter noch etwas luxuriöser als das Sprechzimmer, in dem er den Arzt bei seinem ersten Besuch vernommen hatte. Die modernen Gemälde an der Wand gefielen ihm. Stumm deutete Dr. Gerstenschneider auf einen wuchtigen Sessel vor einem nierenförmigen Schreibtisch aus viel Glas und Chrom. Für Pielkötter passte dieses Möbelstück, das schätzungsweise ein kleines Vermögen gekostet hatte, kaum in eine

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