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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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dass sie die Hölle durchmachte. Mein Vater stellte ihr ständig nach und weigerte sich natürlich, die Eigentumswohnung zu verlassen. Mehr noch: Er ließ seinen Lieblingsbruder nach Deutschland kommen und wohnte über vier Monate mit Amir in der Wohnung. Nur aus Erzählungen meiner Mutter weiß ich, dass die beiden Chaoten die Wohnung völlig verwüstet hatten und meine Mutter später eine neue Toilettenschüssel einbauen lassen musste, weil die alte nicht mehr zu reinigen war. Vom Mobiliar blieb nichts mehr übrig, denn nach und nach hatte mein Vater das meiste verkauft oder irgendwelchen Gespielinnen geschenkt. So war es denn auch der Streit um einen Kühlschrank, der zu einem Polizeieinsatz auf offener Straße führte. Mein Vater und Amir wollten den Kühlschrank gerade einer Freundin schenken, als meine Mutter urplötzlich an der Wohnung der Dame erschienen war und ihr Eigentum zurückforderte. Das Ende vom Lied war, dass die beiden Brüder mit einem Messer hinter meiner Mutter herjagten und anschließend versuchten, Jürgens Jaguar (er hatte zwischenzeitlich meine flüchtende Mutter aufgenommen) mittels körperlicher Gewalt anzuhalten. Sie traten vor das Auto und spuckten auf die Scheiben, und erst die Ordnungshüter konnten sie stoppen.
    Ich hingegen genoss die nie gekannte Freiheit bei meiner Großmutter in vollen Zügen, und ich hatte bald sämtliche Hunde der Nachbarschaft in meiner Obhut. War ich mit Wuschel eine Stunde spazieren gegangen, so wartete Stöpsel bereits auf mich, und kehrte ich mit diesem zurück, dann musste ich mit Panja, einer Schäferhündin, los. Dana hatte damals auch einen Hund, einen beleibten Cockerspaniel, und sie war dankbar, dass sie nicht mehr allein durch die Wälder marschieren musste. Mit den Fahrrädern fuhren wir in die umliegenden Dörfer und entdeckten eines Tages einen kleinen Ponyhof. Dessen Besitzer lebte in einem Wohnwagen auf dem Hof, und der alte Mann war froh, wenn wir Kinder die Ständer seiner Ponys regelmäßig misteten und das Sattelzeug in Ordnung hielten. An den Wochenenden kamen bei schönem Wetter die Spaziergänger in Scharen, und für drei Mark fünfzig konnte man sich für dreißig Minuten ein Kinderpony mieten. Wenn die Eltern mit den Ponys nicht zurechtkamen, gingen wir Kinder mit und sorgten dafür, dass alle Beteiligten wieder wohlbehalten am Hof ankamen.
    Das gesamte Frühjahr, den Sommer und den größten Teil des Herbstes verbrachte ich meine Freizeit auf diesem Ponyhof. Der alte Mann dankte uns Kindern die freiwillig geleistete Arbeit damit, dass wir unter der Woche und bei schlechterem Wetter umsonst mit den Ponys ausreiten durften. Meine beiden Lieblinge hießen Victor und Hector und waren Grauschimmel-Shetlandponys. Ich konnte mein Glück kaum fassen, wenn ich auf dem blanken Rücken von Victor saß und durch die Wälder ritt. Die Nähe zu diesen Tieren, das Gefühl der Wärme und die Weichheit ihres Fells sowie das immense Vertrauen, das die Ponys mir vermittelten, linderten die Wunden meiner Seele. Victor und Hector wieherten mir fröhlich entgegen, wenn ich verschwitzt mit meinem Fahrrad auf den Hof kurvte, und ich genoss das Gefühl, erwartet zu werden. Es war das Gefühl, das ich in meiner gesamten Kindheit vermisste und noch heute so sehr brauche. Der alte Mann, dem der Ponyhof gehörte, schaffte es in diesen Monaten, mir das Selbstvertrauen zu geben, doch noch irgendwo gebraucht zu werden und nicht »über« zu sein. Würde er heute noch leben, so würde ich ihm gern erzählen, dass auch er zu meinen Lebensrettern gehört. Die unstillbare Liebe zu den Pferden, das Ausleben dieser Passion und die Selbsttherapie mit diesen wundervollen Tieren haben ihren Ursprung auf diesem kleinen Ponyhof.
    An einem Tag im Herbst kam ich wieder einmal zum Hof geradelt und vermisste sofort das Wiehern meiner beiden Schützlinge. Als ich in den kleinen Stall kam, blieb ich wie angewurzelt stehen. Fassungslos schaute ich auf die leeren Ständer. Panik kroch in mir hoch. Eine alte knochige Hand legte sich auf meine Schulter.
    »Sei nicht traurig, Christine«, murmelte der alte Hofbesitzer, »ich musste sie verkaufen. Der Winter kommt, und da werden wir hier kein Geschäft machen.«
    Tränen stiegen in mir hoch. Victor und Hector verkauft? Das konnte und durfte nicht wahr sein! »Wo sind sie?«, fragte ich schluchzend.
    »Wandler hat sie gekauft.«
    Um Gottes willen, das war eine Katastrophe! Wandler war ein stadtbekannter Kirmesbudenbesitzer, ein

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