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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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ein.
    Irgendwann waren ihre Kräfte am Ende. Ich hatte sie geschafft. In meinen Augen hatte sie verloren. Sie ließ sich in den Sessel fallen und blickte auf mich herunter. »So ein ekelhaftes Weib«, sagte sie zu mir, »hätte ich gewusst, was aus dir einmal wird, hätte ich dich nach der Geburt gleich wieder reingeschoben!« Mich ließen diese Sätze kalt, denn ich kannte sie bereits zur Genüge und war abgestumpft dagegen. Ich hatte diesen Streit nicht gewollt. Ich hatte dieses Leben nicht gewollt. Ich konnte machen, was auch immer in meinen Kräften stand, ich würde nie genug tun, nie etwas richtig machen und nie erwünscht sein. Ich hasste meine Mutter abgrundtief, und mein größtes Ziel mit meinen noch nicht einmal dreizehn Jahren war es, diese Frau eines Tages STUMM zu erleben. Ein Mal, so wünschte ich es mir, wenigstens ein Mal in meinem Leben sollte sie einfach mal still sein! Eins wusste ich schon zu diesem Zeitpunkt ganz genau: Würde ich irgendwann meine Hemmschwelle überschreiten, würde es nicht bei einer Gegenwehr bleiben.
    Plötzlich stand Jürgen im Wohnzimmer. Schweigend und prüfend schaute er uns an. Er setzte sich auf einen Esszimmerstuhl und schüttelte den Kopf. Er sei fassungslos, so begann er, fassungslos, dass es zwischen uns beiden wieder einmal derartig eskaliert sei.
    »Gundis«, sagte er, »wir haben uns nun schon so oft darüber unterhalten. Musste das wieder sein?«
    Ich traute meinen Ohren nicht. Jürgen ergriff Partei für mich!
    »Dieses Blag ist ein Albtraum«, antwortete meine Mutter.
    Jürgen schüttelte unaufhörlich den Kopf. »Geht das denn nicht in Ruhe?«, fragte er. »Das ist ja vollkommen asozial hier. Ich will so etwas nie wieder erleben. Mit solchen Zuständen will ich mich gar nicht erst auseinandersetzen. Wenn das das Ergebnis meiner Anwesenheit hier ist, dann muss ich eine andere Lösung finden.«
    In den Augen meiner Mutter flackerte Panik auf. »Nein, Jürgen. So was darfst du nicht sagen. Es wird nie wieder vorkommen, das verspreche ich dir«, wimmerte sie.
    Ich hatte begriffen.
    Für ihren heiligen Jürgen würde meine Mutter sich eher auf links krempeln, als Gefahr zu laufen, diesen Mann zu verlieren. Und Jürgen? Jürgen schien offensichtlich auf meiner Seite zu sein, also galt es, diesen Mann unter keinen Umständen zu enttäuschen. Jürgen war meine einzige Hoffnung, die letzten fünf Jahre bis zu meinem achtzehnten Geburtstag zu überleben.
    Jürgen packte meine Mutter und mich in seinen Jaguar und fuhr mit uns in ein Restaurant. Meine Mutter schien so beglückt darüber zu sein, dass Jürgen eine räumliche Trennung mit keinem Wort mehr erwähnte, dass sie dadurch in einen Zustand der Euphorie geriet. Sie scherzte und lachte und tat so, als seien wir die besten Kumpel. Es gab wirklich Momente, in denen ich meine Mutter bei diesem Mittagessen wieder nett fand.
    Meine Strategie stand fest.
    Jürgen erzählte beim Essen, dass Margot seinem jüngsten Sohn Martin kurz vor Jürgens Rausschmiss einen kleinen Zwergpudel geschenkt habe. Martin sei aber mit seinen acht Jahren noch viel zu jung für eine solche Verantwortung, und nun sei der Hund genauso uninteressant für Martin wie sein altes Spielzeug. Es würde ihm wirklich schwerfallen, aber er würde heute Nachmittag den Hund wieder zurück zur Züchterin bringen müssen. Und das sei wirklich sehr schade, weil Bobby ein ganz putziges Tierchen sei. Mir kamen die Tränen, und ich fing an zu weinen.
    »Ich finde das ungerecht«, sagte ich schniefend. »Ich möchte seit Jahren einen Hund haben, und ich würde mich wirklich um das Tier kümmern. Mama, sag doch was! Ich habe mich immer um die Pflegehunde gekümmert, aber ich durfte nie einen eigenen Hund haben.« Flehentlich schaute ich Jürgen an. »Bitte Jürgen«, bettelte ich. »Ich kümmere mich ganz bestimmt um Bobby!«
    Jürgen fragte meine Mutter nach ihrer Meinung. Die wiederum fragte Jürgen zurück: »Meinst du, Jürgen, Christine wäre verantwortungsvoll genug, sich alleine um einen Hund zu kümmern?«
    Und wieder begriff ich. Solche Entscheidungen würden fortan von Jürgen getroffen werden. Das spürte und hörte ich.
    »Ich glaube schon, dass Christine diese Verantwortung tragen kann. Und bestimmt wirst du mich nicht enttäuschen, oder?«
    Ich beteuerte meine große Zuverlässigkeit und versprach Jürgen unter tausend Ehrenworten, ihn niemals zu enttäuschen. Er könne sich hundertprozentig auf mich verlassen, und Bobby würde es richtig gut haben

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