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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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beruhigte. Hauptsache war, dass dieses Theater mit meiner Mutter aufhörte und wenigstens Jürgen mich lieb hatte. So konnte ich mein Leben halbwegs erträglich finden. Mit einem »Schau mal, du hast doch jetzt den Bobby und mich. Das ist doch schön, oder?« gab mir Jürgen einen Gutenachtkuss auf die Stirn und verließ das Zimmer. Er hatte Recht. Jürgen war derjenige, der durchgesetzt hatte, dass ich einen Hund haben durfte, und Jürgen beschützte mich immer wieder vor meiner Mutter. Jürgen war ein Schatz und vielleicht doch nicht so blöd, wie ich ihn die letzten Monate teilweise gefunden hatte. Er wurde nicht so unerträglich laut wie meine Mutter, und er verurteilte ihren schnöden Tonfall als »Gassenjargon«. Vielleicht waren seine Ansichten manchmal etwas merkwürdig und veraltet, aber mit ihm, so hatte ich das Gefühl, konnte ich wenigstens auch mal über meine Probleme reden. Beruhigt schlief ich ein.

 
     
    ________________KAPITEL 6________________
 
    Ein Leopardenbett im Mädchenzimmer
     

    E
s war gerade Frühlingsbeginn, als unser Klassenlehrer mit strahlender Miene in unsere Klasse kam und uns erzählte, dass er nach langem Suchen nun endlich eine vertrauenswürdige Institution gefunden habe, über die er uns Brieffreunde aus aller Welt vermitteln könne. Er händigte uns Fragebögen aus, in denen man alle wichtigen Angaben machen konnte, wie zum Beispiel Geschlecht und Nationalität des zukünftigen Briefpartners, Alterswunsch, Hobbys und Interessen. Ich wählte aus den angebotenen Ländern die Vereinigten Staaten von Amerika aus und trug ein: »... boy, age thirteen to fifteen years, must love dogs and horses. « Dann wartete ich mit meinen Freundinnen gespannt auf die Antwortbriefe, die da kommen sollten.
    Noch vor den Osterferien trudelten die ersten Briefe aus Kanada, Irland, Großbritannien und vielen anderen Ländern ein. Die meisten von uns hatten Jungs als Briefpartner, was nicht verwunderte, waren wir doch bis zur Reformierten Oberstufe ein reines Mädchengymnasium. Das Interesse am anderen Geschlecht war schon lange erwacht, und daher hatten die meisten von uns » boy « angekreuzt. Die Fotos flatterten nur so aus den knisternden Luftpostumschlägen, und wir bogen uns vor Lachen, wenn die zunächst erwartungsvoll angespannten Mienen der Mädchen sich grimassenhaft verzogen, so als hätten sie gerade in eine Zitrone gebissen und nicht auf ein Foto geschaut. Was uns da so an Konterfeis entgegenblickte, war nicht unbedingt das, was wir erwartet hatten. Fairerweise muss man an dieser Stelle anmerken, dass wir alle relativ überzogene Vorstellungen hatten, wie nun ein kanadischer Junge oder ein britischer boy aussehen sollte. Diese Vorstellungen wurden von den Bay City Rollers oder den Teens geprägt, und Zeitschriften wie Bravo oder Mädchen sorgten fleißig für solche Träumereien.
    Meine Enttäuschung, keinen Brief erhalten zu haben, war groß, und ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, als eines Morgens in den Ferien meine Mutter rief: »Wieso kriegst DUUUU Post aus Amerikaaaaa?«
    Ich rannte ins Wohnzimmer, schnappte mir den blauen Umschlag und antwortete auf dem Weg in mein Zimmer: »Ist von so ʼner Brieffreunde-Gesellschaft. Das lief über die Schule.« Mit klopfendem Herzen öffnete ich den Umschlag und lugte vorsichtig hinein. Fotos! Gott sei Dank! Vorsichtig fischte ich die drei Fotos heraus und erstarrte zur Salzsäule. Ein absolut umwerfend aussehender Junge blickte mir direkt in die Augen, und Christine Al-Farziz schmolz das erste Mal in ihrem Leben dahin. Er hieß Greg, war vierzehn Jahre alt und kam aus Louisiana. In seinem Brief erzählte er von seiner Familie, seinen Geschwistern, seinem Collie und von American Football usw. ... Vier ganze Seiten auf dünnem blauen Luftpostpapier hatte Greg geschrieben, und noch vor dem Lesen der letzten Zeilen war ich hoffnungslos verliebt in ihn. Greg hatte weizenblondes, schulterlanges Haar, strahlend blaue Augen, die hinreißend lieb schauten, volle sinnliche Lippen und eine sportlich durchtrainierte Figur. Damals waren alle Mädchen verrückt nach David Cassidy, und ich hielt ein Foto in meinen Händen mit einem Jungen, gegen den David Cassidy nicht im Geringsten anstinken konnte. Mir war vollkommen klar, dass die Mädels allesamt vor Neid platzen würden, und ich freute mich wahnsinnig über so viel Glück!
    Schon bald stellte sich heraus, dass Greg genauso schreibverrückt war wie ich und wir uns wunderbar verstanden.

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