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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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weil diese Besuche in den kommenden Monaten häufiger stattfinden sollten, fiel selbst Jürgen auf diese Finte meiner Mutter herein und dachte ernsthaft, ich würde mich mit Ulf so gut verstehen, dass diese Besuche mir über die gemeinsamen Wochenenden hinaus ein echtes Bedürfnis seien.
    Jedes Mal, wenn Ulf zur Toilette ging, schlich ich in Margots Schlafzimmer und durchwühlte ihre Schränke. Peinlich genau notierte ich die Markennamen ihrer Kleidung, die Preise, wenn vorhanden, und die Beträge der Boutiquenquittungen, die ich fand. Mindestens zweimal pro Besuch ging ich ins Bad und schrieb ebenso sorgfältig die Markennamen ihrer Tages- und Nachtcremes auf, die aktuellen Düfte und Essenzen, die Margot benutzte, bis hin zur Bodylotion und dem Toilettenpapier. Ich fand mich einerseits ganz toll in meiner Rolle, weil ich wusste, dass ich meiner Mutter mehr Informationen liefern konnte, als sie erwartet hatte, und ihr so beweisen wollte, dass auf mich Verlass war. Andererseits war Margot, wenn sie zurück nach Hause kam, unglaublich nett und gastfreundlich zu mir. Ständig bekochte sie Ulf und mich und fragte nach unserem Wohlergehen. Wenn Margot mich dann auch noch in ihrem Volvo nach Hause kutschierte und völlig souverän mit dieser Situation umging, dann schämte ich mich in Grund und Boden für die kleinen Zettel in meiner Hosentasche. Jedes Mal nahm ich mir fest vor, mich nicht noch einmal vor diesen schäbigen Karren meiner Mutter spannen zu lassen, aber meine Vorsätze scheiterten kläglich. Meine Mutter wurde mit ihrer Spionageaktion immer dreister, und so musste ich selbst die Markennamen der Bettwäsche, der Unterwäsche und der Schuhe von Margot herausfinden. Es war eine Zeit, in der ich mich elender denn je fühlte. Nach Monaten der Hoffnung auf ein einziges freundliches Wort von meiner Mutter begriff ich irgendwann, dass sich an meiner Situation trotz meiner »Hilfeleistung« nichts geändert hatte. Meine Mutter behandelte mich immer noch wie den letzten Putzlappen, und wir waren keine Verbündeten geworden. Endlich rebellierte ich. Aber es war zu spät. Meine Mutter hatte schon längst die Boutiquen von Margot und ihre bevorzugten Schuhgeschäfte aufgesucht, und weil meine Mutter sich als unterhaltsame Kundin präsentierte, erzählten ihr die Verkäuferinnen freimütig, was Frau Karnasch denn dieses Mal wieder aktuell und chic gefunden hatte. Unsummen hat meine Mutter in diesen Geschäften ausgegeben, und lief sie auch tagsüber immer noch mit Jeans und Turnschuhen herum, so schmiss sie sich abends in sündhaft teure Dessous, cremte sich mit den teuersten Duftlotionen ein und erwartete ihren Jürgen in einer Montur, in der Margot vermutlich zu einem Geschäftsessen gegangen wäre, nie im Leben aber ihren Ehemann zum Fernsehabend begrüßt hätte.
    Dieser einseitig betriebene Konkurrenzkampf erschien selbst mir im Alter zwischen dreizehn und vierzehn Jahren als dermaßen lächerlich, dass ich meine Mutter fortan als kranke Person betrachtete. Auch meine Freundinnen teilten diese Auffassung, und mehr als einmal sagten sie: »Diese Frau ist einfach krank. So etwas ist nicht normal.«
    Im Gegensatz zu Margot passte dieser Stil auch nicht zu meiner eher sportlich wirkenden Mutter. Margot hatte im Laufe der Jahre, sicherlich auch durch ihre finanziellen Möglichkeiten, einen Stil gefunden, der ihren eleganten und etwas extravaganten Typ unterstrich. Alles, was meine Mutter erreichte, war eine Maskerade, eine oberflächliche und billige Kopie, und das Geld für diesen elitären Geschmack hatte sie nun wirklich nicht. Sie lief mit unrasierten Haaren an den Beinen und unter den Achseln durch die Gegend, entfernte sich den deutlich sichtbaren Oberlippenbart nicht und meinte später zu mir, die ich diese ganzen Haare mit siebzehn Jahren auf einmal ekelig fand, ihre Behaarung sei ein Zeichen von Rasse. Ich konnte nichts Rassiges daran finden.
    Noch weniger konnte ich verstehen, dass Jürgen, der doch das nötige Kleingeld besaß, meiner zutiefst verunsicherten Mutter nicht ein wenig Hilfe leistete und ihrem Bedürfnis, sich für ihn in Schale zu werfen, nicht mit gemeinsamen Einkaufsbummeln entgegenkam. Niemals habe ich erlebt, dass dieses Paar zusammen in die Stadt fuhr. Auch ich habe einige Jahre gebraucht, um mir mit meinem Kleidungsstil sicher zu werden, und es waren oft Männer, die mir die Augen geöffnet haben, welche Klamotten richtig gut an mir aussehen.
    Meine Mutter entwickelte selbst ihrer Tochter

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