Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
auf den ersten Blick ein lockerer und unkomplizierter Typ zu sein. Während des Fluges, als wir den Essenservice beendet hatten, baute ich in der Galley eine Bordbar auf. Es machte mir Spaß, auf den Langstreckenflügen den Barkeeper zu spielen, und da der hinterste Bereich den Rauchern vorbehalten war, tummelten sich dort innerhalb kürzester Zeit viele Gäste. Oft herrschte eine heitere und ausgelassene Atmosphäre, und meistens kam man mit einigen der Passagiere ins Gespräch.
Als wir in New York landeten, war ich bereits Feuer und Flamme für Alfons. Der unkomplizierte Jeanstyp war tatsächlich so unbeschwert, wie seine Optik hatte vermuten lassen. Er kam aus Frankfurt und hatte mich für den Abend in New York zum Essen eingeladen. Wir verbrachten einen wunderschönen Abend und zogen durch die Bars von New York. Zu später Stunde brachte mich Alfons zurück zu meinem Zimmer und verabschiedete sich mit einem galanten Handkuss.
»Es war mir eine Ehre und ein echtes Vergnügen! Danke für diesen schönen Abend! Ich würde dich morgen früh gern um neun Uhr abholen und dir dann ein tolles Frühstückslokal in Greenwich Village zeigen. Was hältst du davon?«
Ich willigte ein.
Als ich im Bett lag, dachte ich über Alfons nach. Er hatte etwas Natürliches und Charmantes an sich, wirkte wie ein großer Junge, und sein Alter war schwer zu schätzen. Ich wettete, dass er bereits vierzig sein musste, aber letztlich war mir selbst ein Altersunterschied von achtzehn Jahren gleichgültig. Wichtig war, dass ich mich in seiner Nähe unglaublich wohl gefühlt hatte. Es war so gar nichts Berechnendes an ihm, und seine Lebensfreude und Unbekümmertheit zogen mich magisch an. Ich war auf dem allerbesten Wege, mich Hals über Kopf zu verlieben.
Alfons präsentierte mir New York am nächsten Tag von seiner schönsten Seite. Das Wetter war traumhaft, und wir fuhren mit einer rosa Kutsche am Central Park entlang. Kleinigkeiten brachten uns zum Lachen, und wir krümmten uns albern, als Alfons beim Schuhkauf feststellte, dass er ein Riesenloch im Strumpf hatte.
Am Nachmittag hieß es Abschied nehmen, denn ich musste nach Stuttgart fliegen.
»Verlass dich drauf«, versprach mir Alfons, »ich melde mich schneller bei dir, als du gucken kannst!« Eine innige Umarmung, ein flüchtiger Kuss, und fort war er.
Am nächsten Morgen checkten wir in Sindelfingen in unser Hotel ein. »Christine Al-Farziz?«, fragte die Rezeptionistin auf einmal, »ich habe hier eine Nachricht für Sie.«
Ich nahm den Brief und spürte die neidischen Blicke der Kolleginnen im Nacken. »Ankunft heute um sechzehn Uhr in Sindelfingen. Dein Alfons.«
Ich war beeindruckt. Dieser Mann hatte es wirklich drauf, seinen ganzen Charme auszuspielen. Punkt sechzehn Uhr klopfte es an meiner Tür. Mit einem umwerfend strahlenden Lächeln stand Alfons vor mir und umarmte mich herzlichst.
Alfons wich fortan nicht mehr von meiner Seite. Gleichgültig, wo ich war, immer rief er an oder hinterließ eine Nachricht. Wir waren kaum zwei Wochen zusammen, da hatte er sich von seiner Frau getrennt. Die Ehe schien schon seit längerer Zeit am Ende zu sein. Alfons hatte seiner Frau sämtliche Möbel hinterlassen, und wir kauften an einem einzigen Tag nach Herzenslust die gesamte neue Wohnungseinrichtung. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin. Ich hatte einen attraktiven, großzügigen und unheimlich fürsorglichen Mann an meiner Seite und war, ohne mit der Wimper zu zucken, binnen drei Wochen bei ihm eingezogen. Geld schien offensichtlich keine Rolle zu spielen, und mit Alfons erschien mir mein Leben plötzlich so leicht und unproblematisch. Wann immer ich Sorge oder Skepsis äußerte, schaute mir dieser Mann in die Augen und fragte: »Und, Herzelein? Wo ist das Problem?«
Ein Problem, das Alfons nicht verstand, war mein schlechtes beziehungsweise gar nicht vorhandenes Verhältnis zu meiner Mutter. Er beharrte darauf, meine Mutter kennen lernen zu wollen und sich vorzustellen.
»Du kannst mir doch nicht erzählen, dass deine Mutter sich nicht dafür interessiert, mit wem ihre Tochter jetzt zusammenlebt? Du bist ihre einzige Tochter und vielleicht solltest du mal einen Schritt auf sie zugehen, findest du nicht auch?«
Ich nickte. Aber in mir brach das Chaos aus. Um keinen Preis hätte ich Alfons erzählt, was genau die Ursache für meine Abneigung war, nach Waldstadt zu fahren. »Okay«, lenkte ich ein, »wir fahren zu ihr, aber du versprichst mir, dass wir dort im Hotel
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