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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Birkhoff
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hochwillkommene Abwechslung im täglichen Stau-Einerlei.
    Ich hätte die Schnauze von seinen cholerischen Anfällen voll und mir würde es reichen, schrie ich zurück und warf meinen Koffer und mein Beauty-Case elegant über die Leitplanke. »Du kannst mich in Frankfurt erreichen!«, brüllte ich Léon noch zu und stolzierte mit erhobenem Kopf wie eine Primadonna zwischen den Autos auf der gegenüberliegenden Seite fort. Eine große Nobelkarosse hielt neben mir an, und ein Chauffeur stieg aus.
    »Ich muss zum Flughafen, meinen Chef abholen«, sagte der Typ in Livree und verstaute mein Gepäck im Kofferraum. »Streit gehabt?«, fragte er freundlich.
    »Und das nicht zu knapp«, antwortete ich auf Französisch, und schon war ich wieder auf dem Weg zurück zum Flughafen. Léon gestikulierte noch wild mit den Händen in der Luft, die ersten Kommentare waren aus den Autos zu hören, und dann ging es auf unserer Seite schon wieder weiter.
    Ich fühlte mich völlig befreit und war unglaublich erleichtert, als ich abends in Frankfurt am Main landete. Ich hatte während des Fluges geschlafen, und die Überraschung war groß, als Peter und Kirsten mich später im Türrahmen erblickten. Es war so selten, dass wir mal zu dritt in Frankfurt in unserer Wohnung waren, dass wir solche Treffen immer wie Feste feierten. Wir hatten einen lustigen Abend, und beide bestärkten mich beim Äbbelwoi, dass meine Entscheidung, mir ein solches Benehmen nicht mehr gefallen zu lassen, goldrichtig gewesen sei.
    Zwei Tage später musste ich von Frankfurt nach Madrid und zurück fliegen. »Abholer« nannten wir das im Lufthansa-Deutsch. Die Passagiere strömten in die Kabine, und wir hatten alle Hände voll zu tun, das Handgepäck zu verstauen und die Plätze zuzuweisen. Inmitten der Hektik merkte ich auf einmal, wie die Tränen in mir hochstiegen. Was ist denn jetzt los?, fragte ich mich im Stillen und bemühte mich zeitgleich um Fassung. Als die Tränen nicht mehr aufzuhalten waren, flüchtete ich mich in die Galley. Ich heulte und heulte, und meine Kolleginnen verstanden die Welt genauso wenig wie ich. Eine Kollegin holte den Purser.
    Der Purser hockte sich vor mich, fasste mich an beiden Schultern und fragte: »Hey, Christine. Was ist denn los mit dir? Du bist ja völlig am Ende?«
    Ich versuchte ihm inmitten meiner Heulerei zu erklären, dass ich selbst nicht wüsste, was mit mir los sei, und unser Purser schleppte mich nach vorn in den First-Class-Bereich, wo zum Glück nichts los war und wir die Möglichkeit hatten, ungestört zu sein. Inmitten meines Tränenausbruchs stammelte ich gelegentlich etwas von »... meine Oma gestorben ... Darmkrebs ... Morphium ...«.
    Mein Purser, ein unglaublich feinfühliger und psychologisch sehr gut geschulter Vorgesetzter, tat das Einzige, was er in dieser Situation tun konnte: stillsitzen und zuhören.
    Ich heulte von Frankfurt bis Madrid, während des zweistündigen Aufenthaltes in Madrid und wieder von Madrid nach Frankfurt. Inzwischen war ich auch körperlich am Ende meiner Kräfte angelangt und zitterte am ganzen Körper. »... kann nicht aufhören zu heulen ... tut mir leid ... weiß selbst nicht warum ...«, versuchte ich ihm zu erklären.
    »Schschscht ... ist ja gut«, sagte der Purser, »jeder Mensch ist irgendwann mal an einem solchen Punkt. Das war alles zu viel für dich.«
    Und wieder ein Grund, dass die Tränen flossen. Als wir wieder in Frankfurt waren, wurde ich zur Lufthansa-Ärztin geschickt.
    Diese Ärztin war ein mütterlicher Typ, und man musste sich einfach bei ihr aufgehoben fühlen. Mit prüfendem Blick betrachtete sie mich und sagte dann: »Mein liebes Kind. Ich werde Sie jetzt eine Woche aus dem Verkehr ziehen unter der Bedingung, dass Sie irgendwo hinfahren und sich Ruhe gönnen! Wo werden Sie hinfahren?«
    »Nach Sylt«, antwortete ich spontan.
    »Sie haben einen Nervenzusammenbruch, jaja, schauen Sie nicht so erstaunt, genau DAS ist ein Nervenzusammenbruch. Kümmern Sie sich jetzt mal um sich selber.«
    Am nächsten Tag machte ich mich tatsächlich auf den Weg nach Sylt. Ich hatte mir zwischenzeitlich einen alten feuerroten Fiat-Panda angeschafft, und als ich losfuhr, hatte ich keine Ahnung, wo ich unterkommen sollte. Noch nie zuvor war ich auf einer Nordsee-Insel gewesen. In Keitum fand ich ein kleines Privatquartier und frühstückte morgens an einem Tisch, auf dem eine rot-weiß karierte Tischdecke lag. Genauso hatte ich mir das auf der Fahrt vorgestellt, und jeden Morgen

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