Ein Fest der Liebe – Nacht der Wunder
biss sie sich auf die Unterlippe und sah in Whitleys Richtung, um sicher zu sein, dass er schlief. Tatsächlich sah es so aus, aber vielleicht “stellte er sich auch nur tot”, wie ihr Großvater es immer ausdrückte, um sie zu belauschen.
“Er wird mich bitten, ihn zu heiraten”, murmelte sie gegen ihren eigenen Willen.
Darauf schwieg Morgan lange. Dann erwiderte er: “Und Sie werden Ja sagen.”
Sie schüttelte den Kopf, unfähig, dem Arzt in die Augen zu sehen.
“Weshalb nicht?”, fragte Morgan mit dunkler Stimme. Sie sprachen miteinander im Halbdunkel, so wie ihr Vater oft mit Lorelei sprach, spätabends, wenn sie allein in der Küche vor dem ersterbenden Feuer saßen und der Duft des Abendessens noch immer in der Luft hing.
“Weil es nicht richtig wäre”, erklärte Lizzie. “Weder für Whitley noch für mich. Er ist ein guter Mann, Morgan. Das ist er wirklich. Er verdient eine Frau, die ihn liebt.”
Morgan antwortete nicht. Zumindest nicht sofort. “Das hier ist für uns alle schwer, Lizzie. Ziehen Sie keine übereilten Schlüsse. Sie könnten es bitter bereuen, wenn Sie jetzt eine falsche Entscheidung treffen.”
Wieder blickte sie zu Whitley, dann auf ihre Hände, die sie über ihrer ruinierten Schürze fest gefaltet hatte. “Vielleicht bin ich gar nicht für die Ehe gemacht”, fuhr sie fort. “Das gibt es, wissen Sie.”
Sie spürte, dass er lächelte. “Es wäre reine Verschwendung, wenn Sie nicht heiraten würden, Lizzie. Aber ich stimme Ihnen zu, dass es Ihnen allein sicher besser ergeht als mit dem falschen Mann.”
“Meine Schüler”, überlegte Lizzie weiter. “Das werden meine Kinder sein.” Als sie die Worte aussprach, fuhr ein Stich durch ihr Herz. Sie wünschte sich so sehr eigene Kinder, Söhne und Töchter, die noch mehr Glück und Leben nach Triple M bringen würden.
“Wird Ihnen das reichen, Lizzie?”, erwiderte Morgan nach einer Weile. “Schüler zu haben, meine ich?”
“Ich weiß es nicht”, antwortete sie traurig.
Noch einmal drückte er ihre Hand. “Sie haben Zeit, Lizzie. Sie sind eine schöne Frau. Wenn Sie und Whitley sich nicht einigen, werden Sie mit Sicherheit einen anderen treffen.”
Leider befürchtete Lizzie, dass sie bereits “einen anderen” getroffen hatte, und zwar ihn. Sonst überaus selbstbewusst, fühlte sie sich der Situation plötzlich nicht gewachsen. Die McKettricks waren zwar sehr bekannt, und sie waren reich, aber sie lebten in Farmhäusern und nicht in Prachtvillen. Niemand zog sich extra fürs Abendessen um, es gab keine Bediensteten oder eleganten Kutschen wie in Morgans Familie. Bei Miss Ridgley hatte sie gelernt, wie man stickte und Gäste bewirtete. Danach hatte sie in San Francisco eine einfache Schule besucht. Morgan hingegen hatte im Ausland Medizin studiert. Egal, wie fremd ihm seine Mutter geworden war, er gehörte in die höhere Gesellschaft, während sie selbst im schlimmsten Fall als Bauerntrampel und im besten Fall als Neureiche angesehen wurde.
“Lizzie?”, hakte Morgan nach, als sie nicht antwortete.
“Ich habe mich nur gefragt, warum Sie in einem Arbeiterort wie Indian Rock leben wollen und nicht in Chicago, New York, Philadelphia oder Boston. Vermissen Sie denn nicht … nun … all die Dinge, die man in solchen Städten unternehmen kann?”
“Wie zum Beispiel?”
“Konzerte besuchen. Kunstmuseen. Geschäfte, die so groß sind, dass man Treppen steigen muss, um alles zu sehen, was sie anbieten.”
Morgan lachte. “Vermissen Sie denn die Konzerte und Museen und das Einkaufen, Lizzie?”
“Nein. San Francisco ist schön – ich habe es wirklich sehr genossen, dort zu sein. Ich hatte viele Freundinnen in der Schule. Aber manchmal hatte ich so schlimmes Heimweh, dass ich glaubte, es nicht aushalten zu können.”
Mit dem Handrücken strich Morgan über ihre Wange, so sanft, dass ein heißer Schauer über ihren Rücken jagte. “Ich schätze, ich habe auch Heimweh”, sagte er, “aber auf andere Weise. Ich sehne mich nach einem Zuhause, wie ich es nie hatte – ein Zuhause, das ich in Indian Rock zu finden hoffe.”
Lizzies Hals wurde eng. Sie konnte sich Morgan nur zu gut als kleinen Jungen vorstellen, wie er Weihnachten in der Küche eines riesigen Hauses mit der Köchin zu Abend gegessen hatte. Wenn in Indian Rock erst einmal die Neuigkeit die Runde machte, dass der neue Arzt unverheiratet war, würden umgehend Speisen in Körben vor seine Tür gestellt werden. Man würde ihn zum Sonntagsessen
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