Ein Fest der Liebe – Nacht der Wunder
eingerichtet. Aber ein großer Ofen in der Ecke strahlte Wärme aus, und auf einem Tisch vor dem Fenster stand ein weiterer, viel kleinerer Weihnachtsbaum.
John Brennan lag dick zugedeckt auf einer Couch. Als er Alice sah, lächelte er matt.
“Ich habe Besuch mitgebracht”, erklärte Alice ihrem Mann.
Ein kleiner Junge, zweifellos Tad, spielte auf dem Boden mit einem geschnitzten Holzpferd. Er sah neugierig zu Lizzie hoch und ließ das Pferd dann weiter über eine Ebene aus Kissen galoppieren.
John strahlte, als er Lizzie entdeckte, und versuchte, sich aufzusetzen. Doch er war zu schwach. Alice beugte sich vor, gab ihm einen Kuss auf die Stirn, strich sein Haar zurück und murmelte ihm etwas zu. Dann trat sie zurück und bot Lizzie mit einer Handbewegung einen robusten Ohrensessel an.
Obwohl Lizzie sich wie ein Eindringling fühlte, setzte sie sich.
“Sie sagten, ich würde zu Alice und meinem Jungen nach Hause kommen.” Johns Augen glänzten. “Und hier bin ich.”
Gerührt blinzelte Lizzie die Tränen weg. John Brennan war zwar zu Hause, aber nach wie vor ein sehr kranker Mann und noch längst nicht außer Gefahr. Hatte er die Tortur in dem Zug und die beschwerliche Fahrt in dem Pferdeschlitten nach Indian Rock überlebt, nur um jetzt hier seiner Lungenentzündung zu erliegen?
“Ich schätze, wenn Sie nun sagen, dass ich gesund werde”, fuhr John fort, “dann wird auch das geschehen. Sie haben etwas ganz Besonderes an sich, Lizzie McKettrick.”
Lizzies Hals brannte. “Sie werden gesund werden”, versprach sie, eher, weil sie es wollte als glaubte. Leider besaß sie keine Zauberkräfte, wie John zu glauben schien. Sie war nur eine ganz normale Frau. “Sie müssen den kleinen Tad großziehen, und Alice und ihre Familie brauchen Sie, um den Laden zu führen.”
John nickte und entspannte sich ein wenig, als ob Lizzie ihm gerade ein lebensnotwendiges Geschenk gemacht hätte. “Sie scheinen sich gut zu halten”, meinte er. Sein Atem rasselte in der schmalen Brust.
“Das wird schon.” Zumindest das war die Wahrheit. Sie hatte zwar Whitley verletzt und Morgan verschreckt, aber noch immer ihre Familie, ihre Freunde und ihr Lehrerinnendiplom – und damit eine Zukunft. John Brennan dagegen hatte vielleicht nicht so viel Glück.
“Und die anderen?”, fragte John.
Sie erzählte ihm, was sie über die Mitreisenden wusste – Whitley, die Halifax’, Morgan, Mr. und Mrs. Thaddings, die in Clarinda Adams’ Haus wohnten. Sie sprach von jedem Einzelnen, außer von Mr. Christian. Aus irgendeinem Grund wagte sie nicht, ihn zu erwähnen.
“Das ist gut.” Lizzie sah, dass John kaum die Augen offenhalten konnte. Sie war schon zu lange geblieben, es war höchste Zeit, sich zu verabschieden.
“Gibt es irgendetwas, das ich tun kann?”, fragte sie Alice auf der Treppe.
“Beten Sie für ihn. Und kommen Sie ihn besuchen, wenn Sie können. Es hilft ihm, wenn er Besuch bekommt.”
Lizzie nickte.
Von Alices Eltern, denen der Gemischtwarenladen ja gehörte, war weit und breit nichts zu sehen. Bestimmt würde sie sie ein anderes Mal kennenlernen, denn Indian Rock war eine kleine Stadt, und sobald sie in dem Zimmer hinter dem Schulgebäude eingezogen war, würde sie hier regelmäßig einkaufen.
Als sie den Laden verlassen hatte, mochte sie noch immer nicht ins Hotel zurückkehren. Lorelei würde darauf bestehen, dass sie sich wieder hinlegte. Und selbst wenn es ihr gelänge, Morgan und Whitley aus dem Weg zu gehen, wäre ihr deren Anwesenheit doch ständig schmerzhaft bewusst.
Sie schloss den Mantel, den Lorelei ihr geliehen hatte, fester und zog die Kapuze auf, um ihre Ohren gegen die klirrende Kälte zu schützen. So eingepackt, ging sie erneut ohne Ziel den Gehsteig entlang. Ich laufe nicht auf etwas zu, dachte sie, sondern vor Whitleys Wut und Morgans knapper Abweisung davon.
Ihre Schritte lenkten sie zum Schulhaus, ein rotes Fachwerkhaus mit einem winzigen Glockenturm und einem Quartier im hinteren Bereich für den Lehrer oder die Lehrerin. Ihre Tante Chloe, Jebs Frau, hatte hier früher unterrichtet und in dem kleinen Raum hinter dem Klassenzimmer gelebt.
Alle Türen waren verschlossen. Lizzie stellte sich auf Zehenspitzen und spähte durch das Fenster in das Zimmer, das nach Neujahr ihr Zuhause werden sollte. Es gab einen kleinen Herd, ein Eisenbett, einen Tisch und einen Stuhl, sonst nichts. Sie freute sich auf die Arbeit und darauf, ihr eigenes Geld zu verdienen, so dürftig ihr Gehalt auch
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