Ein Fest der Liebe - Nacht der Wunder
einladen, und im Umkreis von vielen Meilen würden unverheiratete Frauen mit einem Mal mysteriöse Krankheiten entwickeln, die nur der neue, attraktive Arzt kurieren konnte.
Als Lizzie daran dachte, gab sie ein nicht gerade damenhaftes Schnauben von sich.
Im Schein des Mondes sah sie, wie Morgans rechte Augenbraue sich hob und ein kleines Lächeln seine Lippen umspielte. “Was hat wohl
diese
Reaktion herbeigeführt, Lizzie McKettrick?”
Sie mochte es, wenn er sie mit vollem Namen ansprach, auch wenn sie nicht hätte sagen können, weshalb. Gleichzeitig war es ihr ein wenig peinlich, dass sie in seiner Gegenwart geschnaubt hatte wie ein altes Pferd. “Sie werden nicht lange allein bleiben”, sagte sie. “Sobald Sie erst mal in Indian Rock sind, meine ich.”
Wieder lächelte Morgan ein wenig schief. “Ich glaube, ich wäre gern verheiratet”, erklärte er, und sie zuckte leicht zusammen. Offenbar hatte sie sich doch noch nicht so an seine direkte Art gewöhnt, wie sie dachte. “Mit einer liebevollen Frau. Und einem ganzen Stall voll Kinder. Das klingt für mich im Moment wunderschön, aber vielleicht bin ich auch einfach nur sentimental.”
Am liebsten hätte Lizzie geweint, ohne genau zu verstehen, warum. Jedenfalls nicht, weil sie Weihnachten so weit von zu Hause entfernt verbrachte oder Whitleys Antrag ablehnen und ihn damit verletzten würde – und auch nicht, weil sie alle in Lebensgefahr schwebten.
Weil sie ihrer eigenen Stimme nicht traute, blieb sie stumm.
“Schlafen Sie ein wenig. Morgen ist Weihnachten.”
Morgen ist Weihnachten
. Lizzie nickte und wollte gerade aufstehen, als Morgan plötzlich ihr Gesicht in seine Hände nahm und sie zart und sanft auf die Lippen küsste.
Ein Schauer jagte durch Lizzies Körper, als hätte sie flüssiges Licht getrunken oder frischen Frühlingsregen. Sie wusste, dass Morgan ihr Zittern spürte, bevor er die Hände sinken ließ und ihr aufhalf.
“Gute Nacht, Lizzie McKettrick”, sagte er barsch. “Und frohe Weihnachten.”
Ihr Herz hüpfte und tollte herum wie ein Zirkusartist auf einem Trampolin. Noch lange nachdem sie sich auf eine der langen Bänke gelegt hatte, konnte sie Morgans kurzen, unschuldigen Kuss auf ihren Lippen spüren.
Um sich abzulenken, stellte sie sich vor, zu Hause auf Triple M zu sein. Eine Weile stand sie in der nur von einer Lampe erhellten Küche und sah ihren Vater und Lorelei an den üblichen Plätzen am Tisch sitzen. Doch die beiden konnten sie nicht sehen. Dann kletterte sie die Treppe hinauf und ging ins Zimmer, das John Henry, Gabriel und Doss sich teilten. Alle drei schliefen tief und fest, ihr helles Haar war zerzaust und voller Stroh von dem weihnachtlichen Besuch im Stall. Jeder von ihnen hatte einen Strumpf an einen Nagel an der Wand gehängt. Noch waren die Strümpfe leer. Lorelei würde sie erst später füllen, wenn sie sicher war, dass die Kinder nicht aufwachten. Kandiszucker. Spielzeugpfeifen. Kleine, hölzerne Tiere, handgeschnitzt von ihrem Vater in seinem Schuppen.
Lizzies Augen brannten, ihr Hals zog sich so schmerzhaft zusammen, dass sie eine Hand schützend darum legte. Während sie auf ihre Brüder herabstarrte, öffnete John Henry die Augen und sah sie direkt an.
“Wo bist du?”, formte er mit den Händen die Worte, die er nicht aussprechen konnte.
Auch Lizzie antwortete in Zeichensprache: “Ich komme bald nach Hause.”
John Henrys kleine Hände flogen durch die Luft. “Versprochen?”
“Versprochen.”
Und dann verblasste das Bild und ließ Lizzie voller Sehnsucht zurück.
Sie hörte, wie Morgan durch den Waggon ging, wahrscheinlich, um nach seinen Patienten zu sehen: Mrs. Halifax mit ihrem verletzten Arm, Whitley mit dem gebrochenen Bein, Mr. Christian mit seinen Erfrierungen und schließlich der arme John Brennan, der mit einer Lungenentzündung kämpfte.
Über ihnen allen ragte drohend und lautlos ein Berg auf.
Irgendwann schlief sie erschöpft ein.
Weihnachten.
Noch nie hatte Morgan Weihnachten so viel bedeutet wie in dieser Nacht. Er wollte Lizzie alles schenken – Schmuck, feinste Seide und Spitze – und vor allem … sein Herz. Einen winzigen Moment wünschte er sich tatsächlich, er hätte auf seine Mutter gehört und wäre Bankier geworden und nicht Arzt.
Verärgert über sich selbst fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar, wie immer, wenn er frustriert war – was oft vorkam.
Also konzentrierte er sich auf das, womit er sich auskannte, auf Krankheiten und
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