Ein Feuer Auf Der Tiefe
Kontrolle entglitten; Srecks Leute waren alle auf der anderen Seite des inneren Mauerrings. Alles, was er und Amdi erfahren konnten, kam von Tyrathect – und vom Lärm der Alarmrufe.
Amdi sprang um sie herum. »Wo seid Ihr jetzt? Wo?«
»Fast an der Außenmauer.«
»Geh nicht weiter«, sagte Stahl leise.
Tyrathect hörte ihn kaum. Ein paar Sekunden noch würde sie von dieser grandiosen Macht trinken. Sie lief die Stufen auf der Innenseite hinauf. Wachposten wichen aus, manche Glieder sprangen zurück in den Hof. Sreck folgte ihr noch immer und rief, damit man sie in Ruhe ließ.
Eins von ihr erreichte den Wehrgang, dann das andere.
Sie schnappte nach Luft.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Amdi.
»Ich…« Tyrathect schaute sich um. Von ihrer Stelle auf der Südmauer konnte sie sich selbst im Burghof sehen: ein winziges Klümpchen Schwarz und Gold, das ihre drei und Amdi waren. Jenseits der Nordostmauern erstreckten sich Wald und Täler, die Routen hinauf in die Eisfang-Berge. Im Westen lagen die Verborgene Insel und die nebligen inneren Buchten. Es waren Dinge, die sie als Flenser Tausende Male gesehen hatte. Wie er sie geliebt hatte – sein Reich. Nun aber… sah sie wie im Traum. Ihre Augen waren so weit auseinander. Ihr Rudel war fast so groß wie die Burg selbst. Die Parallaxe des Blicks ließ die Verborgene Insel ganz nahe erscheinen, nur ein paar Schritte entfernt. Neuburg glich einem rings um sie ausgebreiteten Modell. Allmächtiges Rudel aller Rudel – dies war der Blick Gottes.
Srecks Soldaten schoben sich näher heran. Er hatte ein paar Rudel zurückbeordert, um Anweisungen zu holen. »Ein paar Minuten. Ich werde in ein paar Minuten herunterkommen.« Sie sprach die Worte zu den Soldaten auf der Palisade und zu Stahl unten im Hof. Dann wandte sie sich um und ließ den Blick über ihr Reich schweifen.
Sie hatte nur zwei von sich über weniger als eine Viertelmeile ausgebreitet. Doch es gab keine spürbare Verzögerung; die Koordination fühlte sich ebenso abrupt an, als sei sie noch ganz beisammen. Und man konnte die Laschen aus Flechtenbein noch ein gutes Stück weiter ziehen. Wie, wenn alle fünf von ihr ausschwärmten, sich meilenweit ausbreiteten? Das ganze Nordland wäre ihr persönlicher Raum.
Und Flenser? Ah, Flenser. Wo war er? Die Erinnerungen waren noch da, aber… Tyrathect erinnerte sich an den Verlust des Bewusstseins, gerade als die Radios zu funktionieren begonnen hatten. Man musste in der Koordination besonders geübt sein, um angesichts so schrecklichen Tempos denken zu können. Vielleicht war Fürst Flenser nie zwischen engen Felswänden gegangen, als er neu war. Tyrathect lächelte. Vielleicht konnte nur ein Verstand wie der ihre beim Gebrauch der Radios bestehen. In diesem Fall… Tyrathect schaute abermals über die Landschaft. Flenser hatte ein großes Reich geschaffen. Wenn diese neuen Entwicklungen richtig gehandhabt wurden, würden die künftigen Siege es noch unendlich viel größer machen.
Er wandte sich Srecks Soldaten zu. »Sehr gut, ich bin bereit, zu Fürst Stahl zurückzukehren.«
EINUNDDREISSIG
Es war Hochsommer, als Holzschnitzerins Armee nach Norden aufbrach. Die Vorbereitungen waren fieberhaft gewesen, und Feilonius hatte sich selbst und alle anderen in die Erschöpfung getrieben. Man hatte dreißig Kanonen herstellen müssen – Scrupilo goss siebzig Rohre, ehe er die dreißig erhielt, die verlässlich feuern würden. Man hatte Kanoniere ausbilden und sichere Methoden des Feuerns herausfinden müssen. Man hatte Wagen bauen und Cherhogs kaufen müssen.
Sicherlich war die Kunde von den Vorbereitungen längst nach Norden durchgesickert. Holzschnitzerheim war eine Hafenstadt, man konnte den Handel nicht unterbinden, der hindurchging. In mehr als einer Sitzung des inneren Rates warnte Feilonius sie: Stahl wusste, dass sie kamen. Der Trick bestand darin, die Flenseristen über Stärke, Zeitplan und den genauen Zweck im Ungewissen zu lassen. »Wir haben einen großen Vorteil gegenüber dem Feind«, sagte er. »Wir haben Agenten in seinen höchsten Räten. Wir wissen, was er über uns weiß.« Das Offensichtliche konnten sie vor Spionen nicht verbergen, doch bei Einzelheiten lag der Fall anders.
Die Armee brach über Wege im Landesinneren auf, ein Dutzend Wagen hier, ein paar Schwadronen da. Alles in allem beteiligten sich eintausend Rudel an dem Feldzug, doch sie würden niemals zusammentreffen, ehe sie die Tiefen des Waldes erreichten. Es wäre
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