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Ein Feuer Auf Der Tiefe

Ein Feuer Auf Der Tiefe

Titel: Ein Feuer Auf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihrem geistigen Auge zu stehen, interessanter als viele von ihren Klassenkameraden, aber gar nicht so verschieden. Die beiden Skrodfahrer waren Lebensgefährten. Sie hatte nicht geglaubt, dass das viel ausmachen könnte; unter den Fahrern bedeutete Sex nicht viel mehr, als einander zur richtigen Jahreszeit benachbart zu sein. Dennoch spürte sie tiefe Zuneigung. Insbesondere Grünmuschel schien eine von Liebe erfüllte Persönlichkeit zu sein. Sie (er?) war schüchtern, aber starrköpfig, von einer Art Ehrlichkeit, die einen Kauffahrer vielleicht nachhaltig behinderte. Blaustiel machte diese Schwäche wett. Er (sie?) konnte aalglatt und beredt sein, durchaus imstande, den Lauf der Dinge in seine Richtung zu lenken. Unter dieser Oberfläche spürte Ravna eine zwanghafte Persönlichkeit, die über die eigene Gerissenheit nicht froh und daher dankbar war, wenn Grünmuschel ihn schließlich zügelte.
    Und was war mit Pham Nuwen? Ja, worin liegt das Innere seines Wesens? Seltsamerweise war er rätselhafter als die beiden. Der arrogante Trottel vom Nachmittag schien jetzt größtenteils verschwunden zu sein. Vielleicht war es eine Tarnung für Unsicherheit gewesen. Der Bursche war in einer männlich dominierten Kultur aufgewachsen, sichtlich das Gegenteil des Matriarchats, von dem die ganze Menschheit im Jenseits abstammte. Unter der Arroganz steckte vielleicht eine sehr nette Person. Dann war da noch die Art, wie er den Rasiermesser-Kiefern entgegengetreten war. Und die Art, wie er die Skrodfahrer ausholte. Es dämmerte Ravna, dass sie, nachdem sie ein Leben lang romantische Geschichten gelesen hatte, ihrem ersten Helden begegnet war.
     
    Es war halb drei durch, als sie die Wandergesellschaft verließen. Die Sonne würde in weniger als fünf Stunden über dem Bughorizont aufgehen. Die beiden Skrodfahrer begleiteten sie nach draußen. Blaustiel hatte wieder auf Samnorsk umgeschaltet, um Ravna eine Geschichte von ihrem letzten Besuch bei Sjandra Kei zuteil werden zu lassen – und um sie daran zu erinnern, dass sie nach dem Flüchtlingsschiff fragen sollte.
    Die Skrodfahrer wurden unter ihnen kleiner, als Ravna und Pham in die dünner werdende Luft aufstiegen und auf die Wohntürme zu flogen.
    Ein paar Minuten lang schwiegen die beiden Menschen. Möglicherweise war Pham Nuwen sogar von dem Anblick beeindruckt. Sie überquerten Lücken in den hell erleuchteten Docks, Schächte, wo man durch die Anlege- und Rangierstellen zur Oberfläche von DaUnten tausend Kilometer tiefer schauen konnte. Die Wolken dort waren Wirbel von Dunkel auf Dunkel.
    Ravnas Wohnung lag am Außenrand der Docks. Hier hatten die Luftbrunnen keinen Zweck, ihr Hausturm ragte ins schiere Vakuum empor. Sie glitten auf ihren Balkon herab und wechselten von der Atmosphäre ihrer Anzüge in die der Wohnung. Ravnas Mund entwickelte ein Eigenleben und erklärte, dass ihr die Wohnung zugewiesen worden war, als sie im Archiv arbeitete, und dass sie keinem Vergleich mit ihrem neuen Büro standhielt. Pham Nuwen nickte unbewegten Gesichts. Die witzigen Bemerkungen von ihren früheren Ausflügen blieben aus.
    Sie plapperte weiter, und dann waren sie drinnen und… Sie verstummte, und sie blickten einander einfach nur an. Eigentlich hatte sie diesen komischen Kerl schon die ganze Zeit seit Grondrs dummer Ermunterung gewollt. Doch erst seit dem Abend in der Wandergesellschaft fühlte sie sich wohl bei dem Gedanken, ihn mit zu sich nach Hause zu nehmen. »Tja, also ich…« So. Ravna, die beutelüsterne Fürstin. Wo ist deine flinke Zunge jetzt?
    Sie entschloss sich, die Hand auszustrecken und auf seine zu legen. Pham Nuwen lächelte zurück, auch er schüchtern, bei den MÄCHTEN! »Ich glaube, Sie haben eine hübsche Wohnung«, sagte er.
    »Ich habe sie im technoprimitiven Stil eingerichtet. Hier am Rande der Docks zu sitzen, hat seine guten Seiten: Die natürliche Aussicht wird nicht von den Lichtern der Stadt verdorben. Da, ich zeig’s Ihnen.« Sie dämpfte das Licht und zog die Vorhänge beiseite. Das Fenster war ein natürlicher Durchblick, der vom Rande der Docks nach draußen ging. Diese Nacht müsste der Anblick gewaltig sein. Beim Flug aus der Gesellschaft war der Himmel furchterregend dunkel gewesen. Die systeminternen Fabriken mussten abseits oder hinter DaUnten verborgen sein. Sogar der Verkehr wirkte spärlich.
    Sie kam zurück und blieb neben Pham stehen. Das Fenster erstreckte sich als vages Rechteck über ihr Blickfeld. »Sie müssen eine Minute warten,

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