Ein Feuer Auf Der Tiefe
Sie wirklich froh, dass Sie auf die Reise gehen, meine Dame? Wir beide werden sehr gutes Geld verdienen, aber Sie…«
Ravna lachte. »Ich werde einen Reisezuschlag bekommen.« Sie hatte immer wieder Argumente für ihre Mitreise vorgebracht; da war nicht viel Spielraum geblieben, als dass sie um die Bezahlung hätte feilschen können. »Und ja doch. Darum ging es mir eigentlich.«
»Ich bin so froh«, sagte Grünmuschel.
»Ich lache«, sagte Blaustiel. »Meine Partnerin ist besonders erfreut, dass unser Passagier nicht mürrisch sein wird. Wir haben unsere Zuneigung zu Zweibeinern fast verloren, nachdem wir mit diesen Frachtbeglaubigern unterwegs waren. Aber jetzt brauchen wir vor nichts Angst zu haben. Haben Sie in den letzten fünfzehn Stunden die Bedrohungen-Gruppe gelesen? Die PEST hat aufgehört zu wachsen, und ihre Ränder sind jetzt scharf umrissen. Die PERVERSION tritt in ihr mittleres Lebensalter ein. Von mir aus könnten wir sofort abfliegen.«
Blaustiel war voller Spekulationen über die ›Rudel‹ der Klauenwesen, auch voller Pläne, wie man Jefri und alle anderen Überlebenden dort herausholen sollte. Grünmuschel warf hie und da einen Gedanken ein. Sie war nicht mehr so scheu wie zuvor, wirkte aber immer noch weicher, zurückhaltender als ihr Partner. Und ihre Zuversicht war ein bisschen realistischer. Sie war froh, dass es bis zum Abflug noch eine Woche dauern würde. Die letzten Funktionstests mussten auf der ADR noch durchgeführt werden – und Grondr hatte die Org dahin gebracht, eine kleine Flotte von Schiffen zu finanzieren, die als Köder dienen sollten. Fünfzig waren bisher fertig. Ende der Woche würden hundert bereit sein.
Die Docks trieben in die Nacht hinein. Bei der niedrigen Atmosphäre war die Dämmerung kurz, doch die Farben waren sehenswert. Der Strand und die Bäume glänzten in den waagerechten Lichtstrahlen. Der Duft von Dämmerblumen vermischt mit dem scharfen Geruch von Seesalz. Am anderen Ufer des Meeres war alles scharf hell und dunkel, Silhouetten, die Launen der Vrinimi oder Dockausrüstungen sein mochten – Ravna hatte nie erfahren, welches von beiden. Die Sonne glitt hinters Meer. Orange und Rot breiteten sich über den Achterhorizont aus, überlagert von einem breiteren Band Grün, vermutlich ionisiertem Sauerstoff.
Die Fahrer wendeten ihre Skrods nicht, um besser sehen zu können – soviel sie wusste, hatten sie die ganze Zeit über in diese Richtung geblickt –, doch sie hörten auf zu sprechen. Während die Sonne unterging, ließen die Brecher sie in Tausende von Bildern zersplittern, Funken von Grün und Gelb inmitten der Gischt. Sie vermutete, die beiden wäre jetzt lieber draußen gewesen. Sie hatte sie oft genug gegen Sonnenuntergang gesehen, wie sie ausgerechnet da saßen, wo die Brandung am heftigsten war. Wenn das Wasser zurückwich, waren ihre Stiele und Wedel wie die Arme von Bittstellern emporgereckt. Zu Zeiten wie solchen konnte sie beinahe die Minderen Skrodfahrer verstehen; sie verbrachten ihr ganzes Leben mit der Erinnerung an solche wiederholten Augenblicke. Sie lächelte im grünlichen Zwielicht. Danach würde immer noch Zeit genug für Sorgen und Pläne sein.
Sie mussten zwanzig Minuten lang so dagesessen haben. Entlang der geschwungenen Linie des Strandes sah sie winzige Feuer im sich verdichtenden Dunkel: Büroparties. Irgendwo sehr nahe erklang das Knirschen von Füßen auf Sand. Sie wandte sich um und sah, dass es Pham Nuwen war. »Hierher«, rief sie.
Pham schlenderte auf sie zu. Seit ihrer letzten Auseinandersetzung hatte er sich sehr rar gemacht; Ravna vermutete, dass manche von ihren Sticheleien ihm sehr nahe gegangen waren. Für diesmal hoffe ich, dass der ALTE es ihn hat vergessen lassen. Pham Nuwen hatte das Zeug, eine wirkliche Persönlichkeit zu sein; es war nicht richtig gewesen, ihn zu kränken, weil sich sein Gebieter außerhalb ihrer Reichweite befand.
»Nimm Platz. Die Galaxis geht in einer halben Stunde auf.« Die Skrodfahrer raschelten; sie waren so in den Sonnenuntergang versunken gewesen, dass sie den Besucher erst jetzt bemerkten.
Pham Nuwen ging ein, zwei Schritte an Ravna vorbei, blieb stehen, die Arme in die Hüften gestemmt, und starrte aufs Meer. Er erwiderte ihren Blick, und das grüne Zwielicht verlieh seinem Gesicht einen unheimlich wilden Ausdruck. Er ließ sein altes, schiefes Lächeln aufblitzen: »Ich glaube, ich muss mich bei dir entschuldigen.«
Hat der ALTE dir endlich erlaubt, dich der Menschheit
Weitere Kostenlose Bücher