Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
wissen doch wohl, daß bei uns der Staat nicht nur das Monopol für Kapitalverbrechen, sondern auch für deren Ahndung hat.«
»Ah. Ja so.«
»Eben. Und deshalb sind Privatdetektive nicht mehr zuständig, sobald es interessant wird.«
»Interessant für wen?«
Tugendhaft klang jedoch nicht sehr interessiert, als er dies sagte; Matzbach bemerkte, wie sich die harten Linien um den Mund noch mehr verhärteten.
»Interessant für Krimifans, zum Beispiel, die keine zweihundert Seiten über die bürokratische Behandlung eines Taschendiebs lesen wollen. Und, nebbich, für mich. Wenn mich etwas interessiert, kann mich niemand daran hindern, dumme Fragen zu stellen; da ich keine Lizenz habe, kann ich keine verlieren, und da mir jegliches Berufsethos fehlt, brauche ich es nicht zu verletzen.«
»All das beiseite …« Tugendhaft wirkte nun deutlich gereizt oder gelangweilt. Aus der Innentasche seines Jacketts zog er ein Farbfoto heraus und legte es so neben die Kasse, daß Matzbach das Konterfei eines jungen Mannes erkennen konnte. Ein hellbrauner Schopf, graue Augen (nicht so eisig, fand er, wie die des Erzeugers), schiefe Schneidezähne oben, in einem munteren Lächeln entblößt, ein T-förmiges Grübchen im Kinn.
»Ruprecht Tugendhaft«, sagte Matzbach. Er betonte die kollidierenden Ts und kniff die Augen zusammen. »Hat er sich von Ihnen losgesagt, weil Sie ihm diese Stolpersteine auf die Zunge gelegt oder weil Sie ihn nicht rechtzeitig mit einer Zahnklammer ausgerüstet haben?«
»Sie sind unverschämt.« Tugendhaft runzelte die Stirn. »Vielleicht gehört das zu Ihrem Gewerbe, eh, Hobby, aber es gefällt mir nicht.«
»Ich habe mir das auch nicht angewöhnt, um Ihnen zu gefallen. Also – Sie haben einen Detektiv nach dem Söhnchen suchen lassen, und der ist verschwunden? Wer ist das?«
»Sammy Goldstein.«
»Sagt mir so nichts, aber das will nichts heißen. Wie und wann ist er verschwunden?«
»Er hat mich vor drei Wochen aus einem Kaff namens Klitterbach angerufen und gesagt, es gäbe eine Spur. Seitdem habe ich nichts mehr gehört.«
»Klitterbach? Nie gehört. Wo soll das sein?«
»Gar nicht weit von hier, im Bergischen Land. Ich bin hingefahren, aber da wußte keiner was von Goldstein oder meinem Sohn. Keiner jedenfalls, mit dem ich gesprochen habe.«
Matzbach verspürte ein dringendes Bedürfnis: zu sagen, daß er vielleicht nicht höflich genug – oder zu unverschämt – gewesen sein, um Auskünfte von Bewohnern eines Reservats im Bergischen zu erhalten. Aber er bezwang den Drang und kam sich ausreichend mannhaft vor. Daß er an diesem Tag zum zweiten Mal mit dem Kaff namens Klitterbach beschäftigt wurde, amüsierte ihn ausreichend, um Frechheiten zurückzustellen: bis er mehr wüßte.
»Also«, sagte er mit seiner sanftesten Stimme, »Ihr Sohn ist verschwunden. Sie haben einen Detektiv namens was? Sammy Goldstein? losgeschickt. Dieser hat sich aus Klitterbach gemeldet, vor etwa drei Wochen …«
»Vor genau drei Wochen.«
»Um Vergeblichkeit, Herr! Vor genau drei Wochen. Seitdem keine Meldung, kein Zeichen? Hm. Ist das ein Solist oder gehört er zu einer größeren Detektei?«
»Solist. Das ist es ja, sonst wüßte ich, wen man fragen kann. Beziehungsweise hätten sonst die Kollegen sich bestimmt nach ihm umgetan.«
Matzbach betrachtete, noch einmal, besonders gründlich, das Foto des fröhlichen Knaben, der so wenig mit seinem Vater gemein hatte. Wie es aussah.
»Darf ich wissen, warum Sie Ihren Sohn suchen? Ich meine, er ist erwachsen, volljährig – hat er eine Ausbildung?«
»Abgebrochener Archäologe. Und Motorbastler, alte Autos und Motorräder, wenn er es sich mal leisten kann. Warum?«
»Erstens einfach so; zweitens könnte man ihn, wenn er fertig wäre und irgendwo seiner Berufung anhinge, in den entsprechenden Zirkeln suchen. Aber lassen wir das mal beiseite. Warum suchen Sie ihn?«
»Müssen Sie das wissen?« Tugendhaft verschränkte die Arme und schob das Kinn vor.
»Am liebsten ja. Schauen Sie, vielleicht sind Sie ja nicht sein Vater, sondern ein von der russischen Mafia beauftragter Killer, und ich soll Ihnen den Jungen ans Messer liefern.«
»So ein Blödsinn.« Tugendhaft bleckte die Zähne; sie waren oben ähnlich schief wie die seines Sohnes. »Aber … Na gut. Ich habe nicht mehr lange zu leben und möchte mich mit ihm aussöhnen. Reicht Ihnen das als Grund?«
»Sicher. Aber was ich gern noch wüßte: Worum ging es bei dem Zerwürfnis? Ich meine, falls ich Ihren
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