Ein Feuerwerk für Matzbach: Baltasar Matzbachs achter Fall (German Edition)
Anruf aber gleich nach dem ersten Klingelton ab, ehe die Gegenseite sich hätte melden können. Mehr Informationen, sagte Matzbach sich; erst mehr Namen, Daten und überhaupt Kenntnisse beschaffen, dann den Hacker befragen.
Neben der Überlegung, daß erst größere Mengen von Kenntnissen es erlauben, den Umfang des eigenen Nichtwissens abzuschätzen und sinnvolle Fragen zu stellen, gab es da einen finanziellen Aspekt. Der Hacker war gut und schnell, und er war teuer. Matzbach wußte zu gut, daß die Bearbeitung eines Fragenbündels viel Geld kosten würde – zweitausend, schätzte er, je nachdem, wie viele Gesetze zu brechen, wie viele Schranken und Sicherungen zu überwinden waren. Wenn er weitere Fragen nachlegte, würde der Hacker dies als zweites Bündel betrachten und ein zweites Honorar verlangen. Also, sagte er sich, lieber erst das große Bündel schnüren.
Die anderen Telefonate dienten vor allem der Beschaffung jener Informationen, mit denen er später den Hacker zu füttern gedachte. Und er hatte ein Versäumnis zu beheben – er hatte Tugendhaft nicht gefragt (oder nicht mehr fragen können), wie dieser auf ihn gekommen sei. ›Wahrscheinlich‹, dachte er, ›hat er andere Detekteien versucht, nachdem dieser Goldstein verschwunden war. Die haben sich vermutlich geweigert oder hatten keine Lust oder zuviel anderes zu tun, und irgendwer muß ihn an mich verwiesen haben. Aber wer?‹
Mit Hilfe des Telefonbuchs stellte er zunächst fest, daß Tugendhaft, Edwin, in Köln wohnte. Dann rief er die Detekteien an, in denen er, wie flüchtig auch immer, jemanden kannte. Der vierte Anruf war endlich der Treffer. Ein Typ namens Kuno, mit dem Matzbach und Yü vor Monaten Erfahrungen vertrunken und Bier getauscht hatten, bestätigte ihm, daß er Tugendhaft an Matzbach verwiesen habe.
»Du machst doch solche krummen Dinge, vor allem, wenn’s riskant wird«, sagte er. »Und wenn Goldstein verschwindet, stinkt irgendwas.«
»Kannst du mir was über Goldstein erzählen?«
»Nicht viel. Einzelgänger, hat wohl eine wilde Vergangenheit, von der ich aber nicht viel weiß. Ist spezialisiert darauf, verschwundene Personen zu suchen.«
»Man müßte ihn also jetzt auf sich selber ansetzen, was?«
Kuno gluckste. »Könnte man so sehen. Ich hab aber keine Ahnung, was da passiert sein kann.«
Matzbach ließ sich Adresse, Telefon, mobile Nummer und ein paar Daten wie Alter, Größe und derlei geben. Kuno sagte, Goldstein habe zweifellos einen Wagen, er wisse aber weder den Typ noch gar das Kennzeichen.
Der nächste Anruf mußte warten, weil eine Kundin »irgendwas von Goethe oder so, zum Verschenken, ja?« suchte. Baltasar riet ihr zu Lichtenberg; nach einigem Wühlen entschied sie sich für Hauff.
Der zweite Anruf galt einem Boulevard- und Revolverjournalisten. Matzbach bat ihn, alles Greifbare über »diese komische Säuglingsentführung in dings, eh, Klitterbach« zusammenzustellen und versprach als Gegenleistung, ihn als ersten zu informieren, wenn er etwas fände.
»Seit wann interessierst du dich für Säuglinge?«
Matzbach kicherte. »Wenn sie mit ausreichend Knete garniert sind – Banknoten als Windeln, klar?«
»Das nenne ich ein überzeugendes Motiv.«
Die Gegenleistung, die Matzbach beim dritten Anruf zu verheißen hatte, war substantieller – zweitausend Euro, wie er befürchtet hatte. Der Hacker sagte, er solle am nächsten Tag gegen Mittag anrufen oder vorbeikommen; bis dahin werde er hoffentlich etwas herausgekriegt haben.
Im Lauf des Nachmittags gab es ein wenig Umsatz mittels verschiedener Kundentypen (Wühlkunden, Wählkunden, Wuselkunden); dazwischen las Matzbach mit zunehmendem Vergnügen im epochalen antifranzösischen Werk von Montanus, wo er schließlich auch die Klitterbach betreffende Stelle fand:
»… am 8. September verließen [die Franzosen] Frankfurt, wo sie bereits 18 Millionen durch Brandschatzung erpreßt hatten. Hinab ging’s von dort über die Lahn, von der kaiserlichen Vorhut unter Etsnitz und Liechtenstein verfolgt und vom Bauernaufstande bis ins Bergische hinab empfangen und begleitet.
Schon am nämlichen Tage, als die letzten Franzosen Frankfurt verließen, am 8. September 1796, näherten sich schnellfüßige Republikaner sowie auch verschiedene Frachten dem Oberbergischen. Ein von Dillenburg versprengter Geldtransport, der die aus Oberfranken zusammengebrachten Brandschatzgelder gen Düsseldorf in Sicherheit bringen sollte, aus zweien Wagen und acht Karren bestehend,
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