Ein feuriger Verehrer
Flieger«, knurrte Eve, obgleich Peabody den Kopf hob und sie hoffnungsvoll wie ein Welpe, der die Milch der Mutter geschnuppert hatte, ansah.
»Sei doch nicht so stur«, bat Roarke sie milde. »Mit dem Jet seid ihr in der Hälfte der Zeit hin und wieder zurück. Außerdem könntest du ein paar Hummer zum Abendessen mitbringen, wenn du schon mal dort bist.«
Die Worte nie im Leben lagen ihr schon auf der Zunge, doch sie schluckte sie herunter, denn in dieser Sekunde klopfte es an der Tür.
»Auf geht's«, murmelte Roarke und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Herein.«
Lamont hatte glatte, runde Wangen, lebendige blaue Augen und eine Kinntätowierung mit einem flammend roten Pfeil, die auf seinem Passfoto noch nicht zu sehen gewesen war. Außerdem hatte er sich seit der Aufnahme die Haare wachsen lassen, merkte Eve. Sie fielen ihm in dunkelbraunen Wellen ums Gesicht und verliehen ihm ein engelsgleiches Aussehen, das in deutlichem Kontrast stand zum Bild des jungen Konservativen, das am Vorabend auf dem Bildschirm des Computers ihres Mannes zu sehen gewesen war.
Er trug einen weißen Labormantel über einem weißen, bis zum Adamsapfel zugeknöpften Hemd und einer eng anliegenden schwarzen Hose. Seine Stiefel waren handgenäht und sicherlich genauso kostspielig gewesen wie die unzähligen Paare Schuhe, die Roarke in seinem Kleiderschrank verwahrte, überlegte sie.
Er nickte ihr höflich zu, bedachte Peabody aufgrund ihrer Uniform mit einem etwas unsicheren Blick und wandte sich an Roarke.
»Sie wollten mich sprechen?« Seine Stimme hatte einen leichten französischen Akzent, der in Eve den Gedanken an einen Thymianzweig in einer Hühnerbrühe wachrief.
»Das hier ist Lieutenant Dallas von der New Yorker Polizei.« Roarke stand weder auf noch bat er Lamont, sich zu setzen, wodurch er auf subtile Art und Weise die Kontrolle über das Gespräch auf seine Gattin übertrug. »Sie möchte mit Ihnen sprechen.«
»Oh?« Das wohlerzogene Lächeln wirkte leicht verwirrt.
»Setzen Sie sich, Mr Lamont. Ich habe ein paar Fragen. Sie haben das Recht, einen Anwalt zu dem Gespräch hinzuzuziehen, falls Sie möchten.«
Er blinzelte zweimal und fragte: »Brauche ich den denn?«
»Ich weiß nicht, Mr Lamont. Wissen Sie es?«
»Ich wüsste nicht, warum.« Er nahm Platz und rutschte, bis er behaglich saß, kurz auf seinem Stuhl herum. »Worum geht es?«
»Um Bomben.« Eve bedachte ihn mit einem dünnen Lächeln. »Peabody, bitte nehmen Sie die Unterhaltung auf«, fügte sie hinzu und klärte Lamont über seine Rechte auf. »Was wissen Sie über das Attentat aufs Plaza, das gestern stattgefunden hat?«
»Nur das, was im Fernsehen darüber berichtet worden ist. Sie haben die Zahl der Toten heute Morgen nach oben korrigiert. Inzwischen sind es über dreihundert.«
»Haben Sie jemals mit Plaston gearbeitet, Mr Lamont?«
»Ja.«
»Dann wissen Sie also, was das ist?«
»Natürlich.« Wieder rutschte er auf seinem Stuhl herum. »Eine leichte, elastische, höchst instabile Substanz, die als Detonationsmasse in Sprengkörpern verwendet wird.« Er war ein wenig bleich geworden, und auch seine Augen wirkten etwas weniger lebendig, doch er sah ihr weiter ins Gesicht.
»Die Sprengstoffe, die wir hier bei Autotron für die Regierung und ein paar private Unternehmen fertigen, enthalten häufig winzige Mengen Plaston.«
»Wie gut sind Ihre Kenntnisse der griechischen Mythologie?«
Er verschränkte die Hände auf der Tischplatte, zog sie wieder auseinander und verschränkte sie erneut. »Wie bitte?«
»Kennen Sie jemanden mit Namen Cassandra?«
»Ich glaube nicht.«
»Kennen Sie einen gewissen Howard Bassi, besser bekannt als der Tüftler?«
»Nein.«
»Was tun Sie in Ihrer Freizeit, Mr Lamont?«
»Meiner – meiner Freizeit?«
Wieder bedachte sie ihn mit einem Lächeln. Wie von ihr beabsichtigt, hatte die Veränderung des Fragerhythmus ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. »Was haben Sie für Hobbys, was treiben Sie für Sport, was tun Sie, um sich zu unterhalten? Roarke zwingt Sie doch wohl nicht, ständig ohne Unterbrechung für ihn tätig zu sein?«
»Ich – nein.« Er blickte kurz zu seinem Arbeitgeber und dann wieder zu ihr. »Ich … spiele ein bisschen Handball.«
»In einer Mannschaft oder eher allein?«
Er fuhr sich mit einer Hand nervös über den Mund. »Meistens allein.«
»Ihr Vater hat während des französischen Krieges Bomben gebaut«, fuhr Eve ohne Unterbrechung fort. »In einem Team oder eher
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