Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
auf einen mit Schnitzereien versehenen Stock, wohl wegen der Knieverletzung.
»Heil Hitler«, sagte er.
»Heil Hitler«, grüßte Krauss zurück. »Mein Name ist Kreidler. Hauptsturmführer Kreidler.«
»Was verschafft mir die Ehre zu so später Stunde?«
»Ein Mann namens Hansen.«
»Hansen war Mitglied meiner Jary-Expedition, das ist richtig. Was haben Sie mit ihm zu tun?«
»Wie schätzen Sie ihn ein?«
»Das ist merkwürdig. Ich habe eine ähnliche Anfrage bezüglich Hansens Qualitäten vom Reichsführer-SS Heinrich Himmler vorliegen. Ich soll ein Gutachten erstellen.«
Schulz-Kampfhenkel versuchte, Eindruck zu schinden, dachte Krauss. Und ihm von Anfang an klarzumachen, dass er von höchster Stelle protegiert wurde. Er konnte nicht wissen, dass das in seinem Fall nutzlos war.
»Können Sie das präzisieren?«
»Bei allem Respekt, aber dazu müsste ich mir erst das Einverständnis Himmlers holen«, sagte Schulz-Kampfhenkel. »Sie verstehen das hoffentlich.«
Krauss verstand sehr gut. Dieser arrogante Sohn aus gutem Hause wollte ihn auflaufen lassen. Sollte er.
»Schon gut. Aber Ihren Eindruck von Hansen können Sie mir sicher schildern?«
»Dazu müssen Sie wissen, dass ich seit langer Zeit keinen Kontakt mehr zu ihm pflege. Wir gehen getrennte Wege. Allerdings glaube ich nicht, dass er sich geändert hat.«
Schulz-Kampfhenkel legte eine kurze Kunstpause ein, um seinen Worten Gewicht zu verleihen.
»Hansen ist ein verkommenes Subjekt. Ich kann leider nichts Gutes über ihn sagen. Er hat einen liederlichen Charakter, handelt rücksichtslos und brutal, ist hinterhältig und gemein. Die Zeit im Dschungel hat ihn verändert. Ich kenne Heinrich seit der Schulzeit. Richtig sympathisch war er mir bereits damals nicht. Aber das ist kein Vergleich zu heute. Wissen Sie, wenn Sie auf sich selbst zurückgeworfen werden wie wir während unserer Zeit im Urwald, lernen Sie bislang unbekannte Seiten an sich kennen. Man kann wohl sagen, dass der Kern Ihres Wesens zutage gefördert wird. Und Hansens Kern ist der eines zutiefst bösartigen Menschen.«
Aus Schulz-Kampfhenkel sprach zwar ehrliche Abscheu. Für Krauss’ Geschmack wirkte das aber alles ein wenig zu selbstgerecht. Bei den nächsten Worten fühlte er sich in seinem Urteil bestätigt.
»Hansen ist kein Wissenschaftler, so, wie ich es bin. Ihmfehlt die Distanz des Forschers, der kritische Blick. Ich habe im Dschungel anthropologische Studien betrieben. Mir war bewusst, in welcher Umgebung ich mich befinde, mit wem ich es zu tun habe. Die Eingeborenen sind unterentwickelt, im Vergleich zu uns rassisch degeneriert. Niemals habe ich das vergessen. Doch Hansen hat sich auf eine Stufe mit ihnen gestellt, sich sogar eine Eingeborene als Frau genommen. Geradezu ekelerregend.«
Schulz-Kampfhenkel verzog das Gesicht.
»Der weiße Indianer«, sekundierte Krauss. Sein von sich selbst überzeugter Gesprächspartner nickte.
»So nannten ihn die Aparai. Obwohl Hansen äußerlich trotz seiner langen Haare niemals aussehen wird wie ein Indianer, innerlich ist die Verwandlung perfekt. Hansen ist ein Wilder, durch und durch, glauben Sie mir das. Eine verschlagene Kreatur, die nur ihren Instinkten folgt.«
»Kennt er sich mit Giften aus?«
»Hansen kennt sich mit allem aus, was das Leben der Indianer betrifft. Ich weiß, dass er für die Jagd Curare benutzt hat. Es machte die Runde, dass er in seiner Hütte weitere Gifte hortete, von Fröschen vor allem. Ich weiß nicht, ob es stimmt, weil ich es nie überprüft habe. Hansen hatte uns verboten, seine Hütte zu betreten. Uns allen war wohler dabei, sich daran zu halten.«
Weinberg hatte ebenfalls von einem Gift namens Curare gesprochen. Krauss wähnte sich auf der richtigen Spur.
»Gift ist das entscheidende Stichwort. Die Sache, wegen der ich hier bin, duldet keinen Aufschub, deshalb der späte Besuch. Hansen hat eine Person vergiftet, deren Tod der SS-Führung nicht gelegen kommt. Ich bin hier, weil ich Ihre Hilfe brauche.«
Schulz-Kampfhenkel zog die Augenbrauen missbilligend zusammen.
»Warum fragen Sie nicht Hansen? Anscheinend arbeiten Sie mit ihm zusammen. Wenn einer weiß, was zu tun ist, dann er.«
»Die Angelegenheit ist kompliziert. Fragen Sie bitte nicht nach dem Warum. Das unterliegt der Geheimhaltung. Sie kennen das ja.«
Der welterfahrene Abenteurer reagierte nicht auf die Spitze. Er sah Krauss nur skeptisch an. Schöpfte er Verdacht? Nein, dieser Kerl hatte zu großen Respekt vor der SS-Hierarchie.
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