Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
gelacht.«
»Siehst du, du musst dir keine Sorgen machen.«
»Nur wenn du mein Amulett trägst.«
Er holte die Kette unter seinem Hemd hervor, zeigte ihr die Unterlegscheibe.
»Da bin ich aber froh«, sagte sie, »der liebe Gott passt auf dich auf.«
Eine Stunde später saß Krauss neben Straubinger in dessen Wagen. Schweigend fuhren sie die fünfzig Kilometer raus in die Märkische Schweiz, nach Buckow, zum Anwesen der Schulz-Kampfhenkels. Es hieß, dass sich der Patient Schulz-Kampfhenkel nach zwei Monaten im Lazarett dort aufhalten sollte. Beide trugen SS-Uniformen. Als Türöffner, hatte Straubinger gesagt. Dort angekommen, zog sich Krauss einen schwarzen Ledermantel über und ging zum Haus. Straubinger lehnte sich wie vereinbart an den Wagen, gut sichtbar. SS-Offiziere hatten nichts zu verbergen. Es ging auf einundzwanzig Uhr dreißig zu, als Krauss am Portal der Gründerzeitvilla klingelte. Seit mehr als zehn Stunden zirkulierte das Gift in Odas Körper, kämpfte sie gegen einen exotischen Feind. Krauss hatte deshalb eine Unruhe erfasst, die ihn zur Eile antrieb.
Eine ältere Frau öffnete die Tür.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Frau Schulz-Kampfhenkel?«, fragte Krauss bestimmt.
»Die bin ich«, sagte die alte Dame.
»Heil Hitler. Hauptsturmführer Kreidler. Ich bin auf der Suche nach Ihrem Sohn. Eine dringende Angelegenheit. Ist er im Haus?«
Die Hausherrin war offenkundig verunsichert.
»Ja, ja, er ist da. Er kuriert sein kaputtes Knie aus.« Sie gab die Tür frei. »Treten Sie ein.«
Krauss folgte der Einladung und schritt in ein großzügiges Foyer. Es roch muffig, nach Staub und Leder. Eine Treppe führte in den ersten Stock.
»Worum geht es denn?«, fragte Schulz-Kampfhenkels Mutter.
»Tut mir leid, das obliegt der Geheimhaltung. Sie verstehen. Ich muss mit Ihrem Sohn unter vier Augen sprechen.«
»Na gut. Ich sage ihm, dass er Besuch hat.« Sie stieg langsam die Treppe hinauf. Während Krauss versuchte, anhand der Möbelstücke die Besitzer genauer einzuordnen, schlurfte ein alter Mann ins Foyer. Er war groß und wohl ehemals kräftig, wirkte nun aber eingefallen. Die grauen Haare auf seinem Kopf erinnerten an ein Vogelnest. Der Vater, vermutete Krauss.
»Heil Hitler, Herr Schulz-Kampfhenkel«, sagte er auf Verdacht.
Der alte Mann reagierte nicht, sondern schob sich näher an ihn heran, betrachtete den Besucher aus trüben Augen. Krauss war nicht imstande, in ihnen irgendetwas zu lesen außer einer unergründlichen Gleichgültigkeit, wollte die Gelegenheit aber nicht ungenutzt verstreichen lassen.
»Ich bin ein Bewunderer Ihres Sohnes. Diese Expedition, einfach famos. Nur aus Interesse: Wo bewahrt er die mitgebrachten Kostbarkeiten auf? Ich würde mich freuen, einige dieser fremdartigen Mitbringsel aus der Nähe zu sehen.«
Die Stimme des Alten war brüchig.
»Reden Sie kein Blech«, sagte er und tippte mit einem knöchernen Finger so fest auf Krauss’ Brust, dass es schmerzte. »Sorgen Sie lieber dafür, dass uns diese Wilden nicht auf den Pelz rücken.«
»Kommen Sie bitte hoch«, erlöste ihn die Alte aus dem ersten Stock. Krauss lief die Treppe hinauf und spürte bei jedem Schritt die milchigen Augen des Hausherrn auf sich ruhen. Oben wies Frau Schulz-Kampfhenkel ihn lächelnd in Richtung einer offenen Tür.
»Mein Sohn erwartet Sie.«
Der Raum beantwortete die Frage, die er Schulz-Kampfhenkels Vater gestellt hatte. Er war bis zum Rand vollgestopft mit wunderlichem Krimskrams. Schnitzereien, geflochtenen Körben, bemalten Tonschalen, Waffen aller Art wie Äxten, Pfeilen, Bogen, Messern, Speeren, undefinierbaren Kultgegenständen, Federschmuck, Tierfellen und komplett ausgestopften Exemplaren, übereinandergestapelten Glaskästen mit konservierten Insekten, riesigen Faltern und Käfern sowie monströsen Spinnen. Niemals zuvor hatte Krauss so ein kurioses Sammelsurium gesehen. Seine Augen huschten umher, unfähig, einen Gegenstand länger zu fixieren, weil der nächste nach Aufmerksamkeit schrie, nur um zwangsläufig bei der Gestalt zu landen, die in der Mitte all diesen Krempels den Besucher erwartete. Schulz-Kampfhenkel war groß, schlank und Krauss vom ersten Moment an unsympathisch. Sein Gesichtsausdruck strahlte kaum verhohlen die Blasiertheit eines Mannes aus, der sich für etwas Besseres hielt. Schulz-Kampfhenkel, als SS-Untersturmführer im Rang unter seinem Besucher, nahm Haltung an, was in Strickjacke und bequemer Hauskleidung unpassend wirkte. Er stützte sich dabei
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