Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
Stunden. Wir sind sofort zu Ihnen gefahren.«
Weinberg widmete sich seiner Patientin, prüfte deren Reaktionen, maß Temperatur, Puls und Blutdruck. Mittlerweile waren Straubinger und Weinbergs Frau ins Zimmer gekommen. Schweigend warteten sie auf die Diagnose des Arztes.
»Ohne Kenntnis von der Substanz, mit der der Pfeil getränktwar, kann ich wenig tun«, sagte er ernst, »und selbst wenn ich es wüsste, wäre ich höchstwahrscheinlich machtlos. Wenn es stimmt, was Sie sagen, dann arbeitet in ihr irgendein Gift, von dem ich weder weiß, wie es wirkt, noch, was sich dagegen tun lässt. Meistens basieren Gifte auf Alkaloiden und lähmen die Organe, zum Beispiel die Lunge oder das Herz. In der Regel ist das unaufhaltsam, es sei denn, Sie haben ein Gegenmittel. Tut mir leid.«
Krauss hatte ein anderes Ergebnis erhofft, aber nicht erwartet. Bisher war dieser Hansen mit tödlicher Präzision zu Werke gegangen. Weinberg betrachtete die reglose Oda.
»Das Einzige, was mir zu denken gibt, ist die Tatsache, dass sie sieben Stunden nach dem Kontakt mit dem Gift noch lebt. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise wirken solche starken Gifte in Sekunden oder Minuten. Das hat die Natur so vorgesehen, damit die getötete Beute nicht endlos weit fliehen kann. Sonst würde es keinen Sinn ergeben.«
»Heißt das, sie hat eine Chance?«, fragte Krauss.
»Ich weiß es nicht. Möglicherweise. Ihr Organismus kämpft dagegen an, so viel ist sicher. Aber ich will Ihnen keine falsche Hoffnung machen. Das Gift mag auch erst nach Stunden seine Kraft entfalten. Vielleicht ist die Konzentration geringer, oder es ist alt und hat sich teilweise zersetzt. Ich kann es einfach nicht sagen.«
»Wer hat ihr das Gift injiziert?«, fragte Weinbergs Frau.
»Ein Mann namens Hansen«, sagte Krauss bitter.
»So einen Kerl habe ich nie zuvor gesehen«, sagte Straubinger. »Er trägt einen langen Zopf, wie eine Frau.«
Inge Weinberg horchte auf, überlegte, schaute irritiert ihren Mann an.
»Der weiße Indianer«, murmelte sie. »Aber das ist unmöglich.«
»Sie kennen ihn?«, fragte Krauss ungläubig.
»Nein, nein, das nicht«, sagte sie unsicher. »Ich musste nur an einen Film denken, den Samuel und ich vor einem Jahr im Kino gesehen haben. Dort gab es auch einen Mann mit Zopf. Sie nannten ihn den ›weißen Indianer‹. Der Film hieß ›Rätsel der Urwaldhölle‹, es ging um eine Expedition an den Amazonas, nach dem Buch von diesem Schulz-Kampfhenkel.«
»Amazonas und giftige Pfeile, das würde passen«, sagte Krauss. Aber selbst ihm erschien ein Zusammenhang zu unwahrscheinlich.
»Hieß dieser weiße Indianer nicht Hansen?«, fragte der Arzt seine Frau. Krauss sah von einem zum anderen.
»Ich erinnere mich«, sagte Straubinger plötzlich aufgeregt. »Ich habe den Film ebenfalls gesehen. Das ist er, ganz bestimmt. Hansen, jetzt weiß ich es wieder. Ein Weißer, der auf die Jagd geht wie die Indianer. Mit Pfeil und Bogen. Und mit einem Blasrohr.«
Dass alle drei sich irrten, konnte Krauss sich nicht vorstellen. Wenn es ihm auch schwerfiel, eine Verbindung zwischen Hansen und Göring herzustellen. Jetzt hatten sie zumindest einen Anhaltspunkt. Gift vom Amazonas. Weinberg dachte dasselbe wie er.
»Mein Wissen ist da sehr beschränkt. Ich habe mal was gehört von einem Gift namens Curare. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es aus Fröschen gewonnen wird, es gibt aber dort auf jeden Fall hochgiftige Tiere und Pflanzen.«
Froschgift? Oda siechte elendig dahin, weil ihr jemand Froschgift injiziert hatte? Krauss sah den Arzt ratlos an.
»Sie brauchen dringend einen Spezialisten. Einen Biologen oder einen Völkerkundler, der sich mit solchen Stämmen und deren Lebensweise befasst.«
»Oder einen ehemaligen Abenteurer und heutigen SS-Offizier«, sagte Straubinger. Alle blickten auf ihn. Er fuhr fort. »Otto Schulz-Kampfhenkel. Er ist SS-Untersturmführer, hatim Reichssicherheitshauptamt gearbeitet. So viele prominente Zeitgenossen laufen da nicht rum.«
»Und wo finden wir den Kerl?«, fragte Krauss.
Straubinger lächelte, zum ersten Mal an diesem Tag.
»Ich glaube, wir haben Glück. Schulz-Kampfhenkel ist gerade in Berlin, kuriert eine Knieverletzung aus. Ich weiß es, weil ihn jemand kennt bei den ›Söhnen Odins‹. Er hat noch vor kurzem von ihm gesprochen, von dem Film. Und dass Schulz-Kampfhenkel in Schönwalde zum Militärflugzeugführer ausgebildet wird, aber seit Wochen wegen des kaputten Knies pausieren muss. Die Adresse habe ich in
Weitere Kostenlose Bücher