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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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früher oder später ins Netz gehen. Was wollte einer allein denn ausrichten? Einem Apparat, der fast schmerzunempfindlich war, Nadelstiche versetzen. Lächerlich.
    Trotzdem war Hansen hier, kämpfte sich bei schneidender Kälte durch den Wald, ohne zu wissen, ob er richtiglag mit seiner Vermutung, auf Oda und Krauss zu stoßen. Doch. Er wusste es. Er spürte die Nähe des Mannes, der ihn erniedrigt hatte wie kein Mensch zuvor. Er spürte den Hass in sich, den brennenden Wunsch, Krauss leiden zu sehen. Und sterben. Deshalb war Hansen hier. Er leistete sich seinen privaten Feldzug, weil er ihn sich leisten konnte. Selbst wenn er seine Zukunft damit riskierte. Aber die ungesühnte Schmach, von Krauss gedemütigt worden zu sein, wog schwerer. Das würde er sich niemals verzeihen.
    Als sie nach einer Stunde die Lichtung erreichten, deren Schneedecke im Mondlicht aussah wie ein vergilbtes Leichentuch, war sein Puls in die Höhe geschnellt. Am anderen Endekuschelte sich eine Hütte schutzsuchend in den Wald. Hansen wusste sofort, dass sie am Ziel waren. Adrenalin durchströmte ihn, putschte ihn auf. Nur noch wenige Minuten, und Krauss würde eine Lektion bekommen. Seine letzte. Über das Recht des Stärkeren.
    Hansen hob die rechte Hand, um die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu ziehen, und sondierte konzentriert ihre Aufstellung, als einer seiner Leute rechts von ihm rücklings auf den Boden gerissen wurde. Dass gleich zwei Männer kurz hintereinander hinfielen, konnte kein Zufall sein.
    »Deckung!«, schrie Hansen, obwohl er keinen Schuss gehört hatte, und schmiss sich in den Schnee. Ein Scharfschütze. Krauss. Wer sonst? Hansens Herz hämmerte hoch oben im Hals. Der Mann, den er vor einer Minute hatte stolpern sehen, war mit Sicherheit ebenfalls von einer Kugel getroffen worden. Irgendwo da draußen lag Krauss und hatte sie im Visier. Dieser Hurensohn. Hansen biss die Zähne zusammen, zwang sich zum Nachdenken.
    »Zurück in den Wald!«, befahl er.
    Oberleitner, der fünf Meter links neben ihm lag, drückte sich mit den Armen leicht vom Boden hoch.
    »Unten bleiben«, raunzte Hansen. Oberleitner schaute ihn erschrocken an. Seine rechte Gesichtshälfte explodierte in einem blutigen Schwall, der Körper sackte zurück in den Schnee. Hansen stockte der Atem. Er presste sich eng an den Waldboden, roch die modrige Erde unter dem kalten Schnee. Wieder kein Knall. Krauss benutzte einen Schalldämpfer. Ein Gewehr mit Zielfernrohr. Im Licht des Vollmondes waren sie leichte Beute für ihn. Oder für beide. Vielleicht war auch Oda da draußen und nahm sie ins Visier. Sie konnten überall sein, auf der anderen Seite der Lichtung, auf einem Hochsitz, in einem Baum. Vorerst unerreichbar für Hansen. Drei Männer hatte Krauss innerhalb weniger Minuten ausgeschaltet. Mindestens.Hansen fluchte. Das war genau das, was nicht passieren durfte. Wie hatte Krauss wissen können, dass sie anrückten? Hansen begriff es nicht.
    Gewehrfeuer schreckte ihn hoch. Das harte Stakkato einer Maschinenpistole zerriss die Stille. Andere fielen ein, ober- und unterhalb von Hansen. Diese Idioten. In den gegenüberliegenden Wald prasselte ein Bleischauer. Verschwendete Munition. Nicht eine der Kugeln würde ihr Ziel treffen. Allmählich verstummten die Waffen, tröpfelten aus wie ein abgedrehter Wasserhahn. Die Männer hatten die Sinnlosigkeit ihres Geballers eingesehen. Wenn irgendjemand bisher nicht wusste, dass zu dieser Stunde etwas Ungewöhnliches vor sich ging, so wusste er es spätestens jetzt.
    Vorsichtig rutschte Hansen zurück, den Körper eng am Boden. Er hoffte, dass es die anderen genauso machten. Hinter der Baumgrenze robbte er mühsam fünf Meter weiter, bevor er es wagte, sich halb aufzurichten. Normalerweise durfte er für Krauss nicht mehr zu sehen sein, weil er sich im Schatten der Bäume befand. Hier drang nur wenig Mondlicht durch. Nichts geschah. Zehn Meter rechts von ihm tat es ihm einer seiner Männer nach. Hansen signalisierte ihm, dass er mit dem halben Trupp südlich im Schutz des Waldes vorrücken sollte. Er selbst würde mit den verbliebenen Leuten nach Norden zum Haus vorstoßen und dort die Lichtung queren. So konnten sie Krauss und Oda in die Zange nehmen und das Risiko, in ihre Schusslinie zu geraten, minimieren. Der Mann verstand und trottete los. Hansen lief leicht gebückt nach Norden, auf das Haus zu. Nach zehn, fünfzehn Metern blieb er stehen, weil er etwas gehört hatte. Er lauschte. Da war es wieder. Ein Wimmern.

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