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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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bersten. Dieses Fenster war mit ein Grund gewesen, warum sie sich für das Haus entschieden hatte. Perdu. Wie fast alles in ihrem Leben. Was soll’s?, dachte Oda. Sie hatte es aufgegeben, sich an Dingen festzuklammern. Alles, was zählte, war der Mann, der da draußen um ihrer beider Zukunft kämpfte.
    Aus dem Gebüsch heraus sah sie einen Soldaten um die hintere Ecke des Hauses schleichen, die Maschinenpistole im Anschlag. Oda feuerte zwei kurze Salven auf ihn ab, er schoss im Fallen in die Luft. Sie rannte zurück zur Hütte, presste sich an die Außenwand, lugte um die hintere Ecke, sah niemanden.Die Kerle mussten durch das Schlafzimmerfenster eingestiegen sein. Oda wandte sich um, lief wieder zur Vorderseite, schlich an die zerstörte Panoramascheibe heran, durch die Mondlicht das Innere erhellte. Sie drehte sich ins Fenster, entdeckte die Umrisse einer Gestalt im Wohnzimmer und drückte ab. Das Mündungsfeuer tauchte den Raum, in dem sie am Abend zuvor mit Richard auf der Couch gelegen hatte, in eine schnelle Folge von Licht und verzerrten Schatten. Von mehreren Kugeln getroffen, stürzte der Mann ins Mobiliar. Oda duckte sich weg. Sie wusste, dass da noch jemand im Haus sein musste und auf seine Gelegenheit wartete. So weit würde sie es nicht kommen lassen. Gebeugt rannte sie in Richtung des Waldes. Dort war sie dann gestolpert und von dem dritten Mann ins Visier genommen worden. Er lag nun tot im Schnee, ahnungslos, wieso es ihn so unerwartet aus dieser Welt gerissen hatte. Hinter ihm war der Boden mit Blut gesprenkelt. Oda starrte darauf. Sie spürte, wie sich eine unsichtbare Hand um ihren Hals legte und ihr den Atem raubte. In ihren Träumen war sie durch Felder aus blutigem Schnee gelaufen. Nun hatte die Wirklichkeit sie eingeholt. War tatsächlich alles vorherbestimmt?, fragte sie sich. Wenn ja, wie ging es aus?
    Oda hörte aus der Ferne jemanden rufen. Richard. Wo war er? Sie spähte in die Finsternis, erkannte nichts. Was wollte ihr Richard mitteilen? Er brüllte noch einmal, nur ein Wort, das sie erst aus dem Gehörten herausschälen musste. Theke. Richard hatte das Wort »Theke« gerufen. Erst begriff sie nicht, war ratlos, stöhnte, zwang sich zur Konzentration, dann sprang sie die Lösung an. Natürlich. Die Theke des Waldes. So hatte sie den Weiher genannt. Richard wollte, dass sie sich am Weiher trafen. Ein guter Plan. Im Gegensatz zu Hansens Truppe kannten sie sich in dem Wald aus. Wenn sie es schafften, diesen Vorteil auszunutzen, würde ihnen die Flucht vielleichtgelingen. Plötzlich fasste sie wieder Mut. Wären Richard und sie wieder vereint, war alles andere egal. Gemeinsam würden sie diesem langhaarigen Irren die Stirn bieten. Oda warf einen letzten Blick auf den toten Mann und setzte sich in Bewegung.
    Während sie allmählich das Tempo steigerte, dachte Oda über Richard nach. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals solche Gefühle für einen Mann empfunden zu haben. Es hatte die eine oder andere Schwärmerei als Mädchen gegeben, aber mit dem Missbrauch durch ihren Vater wurde all das auf einen Schlag ausgelöscht. Oda entwickelte einen Hass auf alles Männliche, der nur schwer zu kontrollieren war. Indem sie sich selbst mehr forderte als alle anderen, sich innerlich abhärtete gegen den Wunsch nach Zweisamkeit, blieb sie funktionstüchtig. Ein emotionaler Krüppel, ideal, um im Auftrag ihres Onkels Hermann Göring andere Menschen auszuspionieren und notfalls auch auszusortieren aus der Schar der Lebenden. Sie war die fähigste Agentin im F. A., durchtrieben, kaltschnäuzig, kompromisslos. Erst mit den Jahren bröckelte ihr Panzer, verlangte längst Verdrängtes danach, wahrgenommen zu werden. Ihr Kind, das sie zur Adoption weggeben musste. In die Hände von Menschen, die sie nicht kannte, die aber angeblich nur das Beste für sie und das Kind wollten. Das war eine Bedingung ihres Onkels gewesen, wenn sie ihm ihr Leben anvertrauen wollte. Hätte sie es doch nie getan. Heute bereute sie diesen Schritt. Damals war es ihr leichter gefallen, die Frucht ihres Leibes herzugeben, da es ein Kind der Schande war und keines der Liebe. Bei ihrer ersten Begegnung mit Krauss hatte ihr Panzer bereits Risse bekommen, und als er ihr so unvermutet seine verwundete Seele öffnete, war es um sie geschehen. In Richard hatte sie ihr Pendant gefunden, den Menschen, der ihren Schmerz verstand, weil er ihn selbst in sich trug. Wenn sie zusammen waren, trat derSchmerz in den Hintergrund. Das war wunderbar. Sie

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