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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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zögerlich, beispielsweise hinsichtlich einer Ausweitung des Krieges auf Skandinavien und England. Was die Schweden betraf, schien ihm ein Krieg mit ihnen wegen seiner familiären und freundschaftlichen Verbindungen unerträglich, und bei den Briten hatte er die Hoffnung auf eine friedliche Lösung nicht aufgegeben. Selbst der schwedische Industrielle Birger Dahlerus, der Mann, der ihm nach der Kriegserklärung an Polen enttäuscht die kalte Schulter gezeigt hatte, war auf Drängen des Reichsfeldmarschalls wieder in seine alte Vermittlerrolle geschlüpft. Freilich ohne den frommen Eifer von damals. Aber immerhin.
    Doch bisher war alles vergebens. Nun griff Göring nach jedem Strohhalm, um sich in eine bessere Ausgangsposition zu bringen. Wenn er wüsste, wo die Briten und Franzosen ihre Offensive planten, könnte er seine Luftwaffe dort konzentrieren. Nicht, dass er Heermann wirklich belastbare Prognosen zutraute. Es war eine unter vielen Optionen. Göring wollte nichts unversucht lassen. Was trieb der Kerl da überhaupt? Immer noch schwang das Pendel hin und her. Langsamer, langsamer, jetzt …
    Mit einem Ruck ging die Tür auf. Kropp schob sich herein, in der Rechten ein Tablett mit einer Teekanne und zwei Tassen balancierend. Heermann ließ das Pendel fallen.
    »So kann ich nicht arbeiten«, sagte er brüsk.
    »Kropp, verdammt noch mal!«, bellte Göring. »Ich habe Ihnen doch gesagt, ich will nicht gestört werden.«
    Der Kammerdiener murmelte etwas, stellte sein Tablett ab und verschwand sofort wieder. Göring wandte sich an den Wahrsager.
    »Tut mir leid, aber wir müssen noch mal von vorn anfangen.«
    Doch sein Gast verstaute das Pendel gerade wieder in der Aktentasche, zog den Vatermörder heraus und legte ihn an.
    »Mir tut es auch leid, Herr Reichsfeldmarschall. Aber meine Fähigkeiten lassen sich nicht ein- und ausschalten wie eine Lampe. Die Verbindung ist weg, das bringt heute rein gar nichts mehr.«
    »Welche Verbindung?«, fragte Göring leicht irritiert.
    »Das entzieht sich Ihrem Verständnis«, antwortete Heermann beleidigt und schloss die Aktentasche. »Wir müssen das zu einem anderen Zeitpunkt wiederholen. Ich möchte mich jetzt empfehlen. Meine Verehrung an Ihre Gattin.« Der Wahrsager ging Richtung Tür. Göring fand es ungeheuerlich, so stehen gelassen zu werden. Er setzte an, Heermann zurechtzustutzen, zügelte sich aber, weil er es sich nicht mit Emmy verderben wollte.
    »Mein lieber Heermann«, sagte er stattdessen mit unüberhörbarer Schärfe in der Stimme. »Schnappen Sie sich daheim gefälligst einen Atlas und pendeln Sie aus, was ich von Ihnen verlangt habe. Ich erwarte Ihren Anruf bis spätestens morgen früh. Und sollten Sie mit Ihrer Prognose danebenliegen, werden wir uns noch mal unterhalten.«
    Heermann erblasste, die Klinke in der Hand, warf theatralisch den Kopf nach hinten, öffnete die Tür und verschwand ohne ein weiteres Wort. Schnösel, dachte Göring. Glaubt, er könnte mich mit Taschenspielertricks beeindrucken. Kopfschüttelnd verließ er das Kartenzimmer, diesmal fest entschlossen,es bis zur Küche zu schaffen. Doch wieder erschien Kropp wie aus dem Nichts vor ihm.
    »Da wartet noch ein Gast. Er hat gesagt, Sie haben ihn eingeladen. Ein sehr merkwürdiger Mensch, wenn ich das sagen darf. Beunruhigend.«
    Göring betrachtete seinen Kammerdiener, als habe er eine ansteckende Krankheit. Wovon redete die Nervensäge?
    »Sein Name ist Hansen«, sagte Kropp.
    Ach du liebe Zeit, dachte Göring. Der nächste Verrückte. Hansen hatte ihm schriftlich Pläne skizziert, wie man die Guyanas in Südamerika unter deutsche Kontrolle bringen könnte. Der Kerl hatte mehr als ein Jahr dort in der Wildnis verbracht, auf einer Expedition gemeinsam mit dem Wissenschaftler und SS-Offizier Otto Schulz-Kampfhenkel. Göring mochte dessen Film »Rätsel der Urwaldhölle«, auch wenn ihm der Landstrich und die dort hausenden Eingeborenen so exotisch erschienen wie Heermanns ominöse Verbindungen zur Geisterwelt. Normalerweise hätte er Hansen nicht eingeladen. Doch Göring erhoffte sich zum einen wilde Geschichten aus erster Hand – das stillte seinen Rhett-Butler-Abenteurerdurst –, zum anderen gefiel ihm der Part, in dem Hansen die Gold- und Diamantenschätze des Landes anpries, es überhaupt als dankbares, weil leicht auszubeutendes Eldorado beschrieb. Auch wenn eine weitere Front in Übersee derzeit überhaupt nicht in Frage kam, so witterte Göring doch Ablenkungspotential in der

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