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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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Guyana-Geschichte. Und alles, was den »Fall Gelb« hinauszögerte, lohnte ein näheres Hinsehen. Außerdem hatte man nicht jeden Tag einen echten Entdecker zu Gast. Das Mittagessen musste also weiter warten.
    »Schicken Sie ihn in mein Arbeitszimmer«, sagte Göring. Fünf Minuten später klopfte es bereits an seiner Bürotür. Aufmerksam musterte der Reichsfeldmarschall seinen ungewöhnlichen Gast. Schulz hatte recht gehabt. Wobei »merkwürdig«den Mann nur unzureichend beschrieb. »Anders«, hätte Göring spontan gewählt und ein »potentiell gefährlich« hinzugefügt. Hansen trug zwar einen grauen Anzug, weißes Hemd und Krawatte, wirkte aber verkleidet, denn er bewegte sich nicht dem Anlass angemessen förmlich, sondern ungemein lässig. Die Gesichtshaut war von lederner Bräune, selbst jetzt im Januar, mit tiefen Längsfalten zu beiden Seiten des Mundes, was ihn streng und älter erscheinen ließ. Was Hansen aber sofort zum Sonderling stempelte, waren seine Haare – vorn ordentlich nach hinten aus dem Gesicht gekämmt, mündeten sie in einen langen Zopf, der bis über die Schulter reichte. Den »weißen Indianer« nannten ihn die Indios in Schulz-Kampfhenkels Dokumentarfilm; Göring wusste nicht, dass Hansen seine Haarpracht behalten hatte. Wie lange war das jetzt her? Mehr als zwei Jahre mussten die Expeditionsmitglieder bereits wieder in Deutschland sein. Dieser lächerliche Zopf allein stempelte Hansen aber höchstens zu einem wunderlichen Kauz oder, in der Behördensprache, vielleicht zu einem abartigen Subjekt. Was ihn für den Reichsfeldmarschall besonders unheimlich erscheinen ließ, waren Hansens Augen. Der Mann besaß eine braune und eine blaue Pupille, beide musterten ihn ausdruckslos. Göring war außerstande, etwas in diesen irritierenden Blick hineinzuinterpretieren. Er fragte sich, ob er solche Augen schon einmal gesehen hatte, aber er konnte sich nicht erinnern. Hansen fiel aus der Norm. Der zweite Mann des Deutschen Reiches spürte, wie ihm unbehaglich wurde.
    »Nehmen Sie Platz«, sagte er für seine Verhältnisse leise.
    »Eure Exzellenz.« Aus Hansens Worten meinte Göring eine kaum wahrnehmbare Verachtung herauszuhören. Selbst die Stimme dieses Mannes war unangenehm, irgendwie schnarrend. Am liebsten hätte er Hansen sofort wieder hinauskomplimentiert.
    »Da haben Sie ja einen tollen Plan ausgeknobelt«, polterteGöring jovial los und schämte sich gleich dafür. Etwas mehr staatsmännische Zurückhaltung wäre angebracht.
    »Freut mich, dass er Ihnen gefällt«, entgegnete Hansen. »Ich hatte befürchtet, dass Sie meine bescheidenen Ausführungen als die Ideen eines Spinners abtun.«
    Allerdings, dachte Göring. Aber in der Not frisst der Teufel auch mal langhaarige Fliegen.
    »Wo denken Sie hin? Ich kenne Otto Schulz-Kampfhenkel persönlich und selbstredend auch seinen kolossalen Film. ›Rätsel der Urwaldhölle‹, ein tolles Ding. Habe mich gewundert, wie Sie da so lange überleben konnten. Dass es nie zu ernsthaften Auseinandersetzungen mit diesen Wilden gekommen ist.«
    »Schon erstaunlich, nicht?« Hansen lächelte zum ersten Mal. Ziemlich süffisant, fand Göring. »Wenn man sie nicht reizt, sind die Indianer äußerst friedfertige Menschen.«
    »Sehr praktisch. Ich meine, für den Fall einer deutschen Landung.«
    »Das ist unser geringstes Problem. Wie Sie wissen, habe ich lange unter den Eingeborenen gelebt. Ich bin sozusagen einer von ihnen. Der weiße Indianer.« Hansen lachte leise, aber Göring erkannte den Witz in den Worten seines Gegenübers nicht.
    »Eine Frage gleich mal vorab: Wieso haben nur Sie mir diesen Plan vorgeschlagen, ohne Schulz-Kampfhenkels Unterstützung? Bei allem Respekt, aber Schulz-Kampfhenkel hat sich große Meriten um die deutsche Forschung erworben.«
    Hansen bekam dieses abfällige Lächeln gar nicht mehr aus dem Gesicht.
    »Unterschätzen Sie meinen Beitrag nicht, Herr Reichsfeldmarschall. Ohne mich wäre diese Expedition wohl verhungert. Aber lassen wir das. Schulz-Kampfhenkel und ich haben uns ein wenig – wie sagt man – auseinandergelebt. UnterschiedlicheInteressen. In dieser Sache aber denkt er genauso wie ich, das kann ich Ihnen versichern. Wir haben schon während unserer Reise ausführlich darüber gesprochen. Fragen Sie ihn ruhig.«
    Nur keine Eile, das werde ich, dachte Göring. Er lehnte sich zurück. Dieser Urwaldmensch soll sich nicht zu sicher fühlen.
    »Na, dann legen Sie mal los. Wie soll das Unternehmen Ihrer Ansicht nach

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