Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
zusammenrufen lassen, weil es zu einem außerordentlichen Vorfall von nationaler Tragweite gekommen ist. Vor wenigen Minuten hat mich die Nachricht erreicht, dass im Bürgerbräukeller gegen einundzwanzig Uhr zwanzig eine Bombe explodiert ist.«
Ein Raunen ging durch den Raum. Heydrich hob beschwichtigend die Hände.
»Beruhigen Sie sich. Man hat mir versichert, dass der Führer den feigen Anschlag unverletzt überlebt hat. Zum Zeitpunkt der Explosion saß er bereits im Zug und befand sich auf dem Heimweg. Allerdings gibt es wohl etliche Tote und Dutzende Verletzte zu beklagen. Über den oder die Attentäter ist noch nichts bekannt.«
Heydrich ließ seine Worte wirken. Alle starrten ihn an.
»Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Sie die Wahrheit kennen. Nur so können Sie bösartigen Gerüchten entgegentreten. Außerdem erwarte ich von Ihnen, dass Sie ab sofort an der Aufklärung des Anschlags mitarbeiten. Bei so einem Verbrechen gibt es Hintermänner, das muss ich Ihnen nicht erzählen. Ein derartiges Attentat bedarf der sorgfältigen Planung. Ich will jeden, der mit diesem unerhörten Verbrechen etwas zu tun hat, so bald wie möglich hinter Schloss und Riegel sehen. Ist das klar?«
»Selbstverständlich«, sagte Krauss’ Nachbar zur Linken. Alle anderen murmelten zustimmend. Heydrich sah sich suchend um.
»Wo sind eigentlich Blumberg, Jansen und Schmidt?«, fragte er.
»Hauptsturmführer Kreidler ist gerade bei ihnen gewesen«,sagte eine Stimme von hinten. Es war einer der Soldaten, der Krauss zum Konferenzraum geleitet hatte. Ihm wurde schlagartig heiß. Heydrichs Augen waren wieder auf ihn gerichtet.
»Hauptsturmführer Kreidler? Ein Besucher von der SS. Ich kann mich nicht erinnern, Sie schon einmal hier gesehen zu haben.«
Kannte Heydrich jeden Kopf innerhalb der SS-Hierarchie? Kaum zu glauben. Aber nicht unmöglich. Als direkter Untergebener Himmlers hatte er auch mit der SS zu tun. Aber deren Apparat war unüberschaubar.
»Als ich die Herren verlassen habe, sagten sie, sie würden jetzt zum gemütlichen Teil des Abends übergehen«, antwortete Krauss so beiläufig wie möglich. »Das war vor vielleicht fünfzehn Minuten.«
Heydrich musterte ihn.
»Sehen Sie nach, ob sie noch da sind«, sagte er zu einem der Soldaten. Zum Glück hatte er die Tür zu Blumbergs Büro abgeschlossen, dachte Krauss. Aber er musste trotzdem dringend hier weg. Er nahm Haltung an.
»Bitte um die Erlaubnis, mich entfernen zu dürfen«, sagte Krauss. »Ich werde meine Dienststelle von den Ereignissen in Kenntnis setzen und alles Notwendige zur lückenlosen Aufklärung in die Wege leiten.«
Heydrich trat zwei Schritte vor, so dass er direkt vor Krauss stand.
»Kann es sein, dass wir uns schon einmal begegnet sind, Hauptsturmführer Kreidler?«, fragte er.
»Schon möglich«, sagte Krauss. Er zwang sich dazu, weder zu blinzeln noch wegzuschauen. Wenn einer nichts zu verlieren hatte, dann war er das. Und im Ernstfall würde auch Heydrich diesen Raum nicht lebend verlassen.
»Wir brauchen Männer wie Sie«, sagte Heydrich. »Sie haben Ausstrahlung, Schneid. Sie verkörpern alles das, was wirsind. Hart, unnachgiebig, überlegen. Solange wir Männer wie Sie haben, mache ich mir um dieses Mörderpack keine Sorgen. Gehen Sie und tun Sie Ihre Pflicht.«
»Heil Hitler«, salutierte Krauss, knallte die Hacken zusammen, drehte sich um und verließ die unwirklich anmutende Szenerie. Er, ein Attentäter im feindlichen Auftrag, inmitten einer Lagebesprechung über einen Anschlag auf Hitler. Dass Heydrich ihm schmeichelte, setzte dem Ganzen die Krone auf. Er beschleunigte seine Schritte. Nicht, dass jemand auf die Idee kam, Blumbergs Büro zu öffnen. Jeden Moment rechnete Krauss damit, dass Alarm geschlagen wurde. Dann wäre er im Gebäude gefangen. Wahrscheinlich würden sich die Wachen ohnehin auf ihn stürzen, so kritisch, wie sie ihn beäugten. Doch nichts geschah. Krauss präsentierte am Schalter seine Quittung und bekam seine Waffe ausgehändigt.
»Das war aber ein kurzer Besuch«, sagte der SD-Mann.
»Wir waren uns schnell einig«, entgegnete Krauss. Er hob den rechten Arm zum Gruß. »Heil Hitler!«
Die Wachposten am Eingang ließen ihn ohne weiteres passieren. Er atmete wieder eisige Winterluft. Nicht einmal eine Stunde hatte Krauss in der Gestapo-Zentrale verbracht. Fünf Männer waren tot, niemand hatte ihn verdächtigt, selbst Heydrich nicht. Der dreiste Überfall würde ein internes Erdbeben auslösen. Und
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