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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Brusthöhe und öffne die Tür erneut. Ich gebe es zu, ich bin durcheinander und vielleicht nicht ganz bei Verstand, was immer das sein mag. Jedenfalls ziele ich mit dem Ding auf ihn und knurre etwas aus dem Mundwinkel, und er weicht auch tatsächlich einen Schritt zurück, aber inzwischen sprintet bereits ein ziemlich durchnäßtes TV-Team mit einer Minicam über das Gelände, in der Ferne flackern Blitzlichter, deshalb scheint jeder Widerstand zwecklos. Hinunter mit der Büchse. Herein mit dem Anwalt.
    Macs Tod schlägt Riesenwellen in den Nachrichten. Nicht so sehr wie der von McCartney oder Garth Brooks, aber immerhin. Innerhalb einer Stunde zeigt der hdtv -Bildschirm Aufnahmen des Unglücksorts, zusammengeschnitten mit Clips von Mac in verschiedenen Stadien seiner Karriere sowie dem Schrecken und der Ungläubigkeit in den Mienen der Fans von Buenos Aires über Haiderabad bis Martha’s Vineyard (die Insel ist übrigens inzwischen größtenteils überschwemmt). Ich sitze im Grunge Room, versuche Atem zu schöpfen, ringsherum schwirren Bullen, Reporter und Rechtsanwälte wie Fliegen im Sturmangriff auf einen Teller Hüttenkäse, als auf dem großen Bildschirm neben dem Bett plötzlich April Wind erscheint. Sie blinzelt in die Kamera, keine fünfzig Meter von da entfernt, wo ich jetzt sitze, leicht benommener Gesichtsausdruck – die Zwergin, die zur Riesin geworden ist. Wie alle Amerikaner wurde sie mit dem Talent geboren, im Fernsehen zu reden. »Es war grauenhaft«, sagt sie, »wir aßen gerade Spiegeleier, beziehungsweise wir wollten sie essen, und dann war da dieses irrsinnig laute Gebrüll, und ich, ich...«
    Die Kamera bleibt drauf, April Winds Gesicht wird in allen Pixels und Partikeln gezeigt, ein kummervolles Gesicht, eine Miene voller Tragödie und ernüchterter Esoterik, nun aber legt sich eine andere Stimme über die ihre, ganz ölige Betroffenheit: »Sie waren seine letzte Geliebte, nicht wahr?«
    Von allen Journalisten, die an diesem Nachmittag und bis spät in den Abend herumwimmeln – junge Draufgänger zum größten Teil, große Kampftrinker vor dem Feind und so weiter –, ist nur einer lange genug stehengeblieben, um mich ein zweites Mal anzusehen. Er ist etwa fünfzig, fünfundfünfzig. Klein, mit Brille und einem Fusselbart, der um die Kiemen herum schon weiß ist. Draußen wird es langsam dunkel, und wir haben uns alle – sogar Chuy – im Motown Room zu etwas versammelt, was man wohl eine Pressekonferenz nennen könnte, wenn auch verteufelt wenig konferiert wird dabei. »Sind Sie nicht –?« platzt er heraus, überall ist Polizei, aus dem Keller ertönt das Gebrüll der Löwen, die Kameras laufen, Andrea und April Wind sind in eine Ecke gedrängt, zwei Dutzend Mikrofone auf sie gerichtet wie die Stacheln eines Stachelschweins ( Erethizon dorsatum , inzwischen überall vom Aussterben bedroht). »Sie sind Tyrone Tierwater, oder? Der Öko-Radikale?«
    Der Rücken tut mir weh. Die Füße auch. Ich habe Kopfschmerzen. Mein Zahnfleisch brennt rund um das kalte Porzellan meiner Dentalkorrekturen. Ich könnte einen Drink gebrauchen, und ich habe Hunger – schließlich haben wir diese Spiegeleier nie gegessen und etwas anderes auch nicht. Ich winke mißbilligend ab. »Öko- was ?«
    »Das sind doch Sie, oder?« Überall gleißendes Licht, Köpfe in Kameraausschnitten, aus jedem Zimmer des Hauses dringt O-Ton. »Wie lange ist das her – zwanzig Jahre? Die Cachuma-Geschichte, stimmt’s?«
    Der Mann ist Historiker, kein Zweifel, und hier und jetzt, mitten in diesem Chaos, trägt er mich in die Vergangenheit, zu einem dunklen, schwappenden See und in ein Boot, das unter meinen Füßen bebte wie ein trügerischer Boden, durch den man kopfüber in die Unendlichkeit stürzt. Die Cachuma-Geschichte . Was soll ich dazu sagen? Es gibt weder Entschuldigung noch Sühne für das, was ich getan – oder zu tun versucht habe. Meine Tochter war tot, meine Frau hätte es ebensogut sein können, und die Namen der bedrohten Tierarten kamen mir Tag und Nacht über die Lippen – sechs Milliarden waren wir damals, und wie viele Gorillas, Schimpansen, Seekühe, Fleckenkäuze, Amboseli-Löwen?
    Es war meine schwärzeste Zeit – Totenschädelzeit, Hyänenzeit. Ich kämpfte einen Krieg, versteht ihr, und vielleicht hatte ich mein Urteilsvermögen verloren, falls ich je eines besaß. Gemeinsam mit einem FBI-Agenten, der sich als ausgestiegener Wissenschaftler von BioGen ausgab, und einem Scheißkerl namens Sandman

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