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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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werkelte an der Lüftung. Und dann bog er um eine Kurve und erblickte etwas, das ihn regelrecht schrumpfen ließ: dort stand der Briefkasten von Sheriff Bob Hicks, klar und deutlich, erhellt vom dünnen Strahl seiner Scheinwerfer, dicht daneben jedoch hatte die Nacht noch ein weiteres langes, schimmerndes Objekt hervorgespien. Es hätte eine niedrige Reklametafel sein können, die reflektierende Tür eines Schuppens oder Anhängers, aber das war es nicht: es war ein Streifenwagen, und zwar der von Sheriff Bob Hicks. Und Sheriff Bob Hicks, eine langgesichtige, bleiche Erscheinung mit Schlapphut, saß wie erstarrt hinter dem Lenkrad, wie auf einem überbelichteten Foto.
    Tierwaters erster Impuls war es, voll in die Bremse zu treten, aber er widerstand ihm: jetzt anzuhalten, brächte ihm unweigerlich Ärger. Die Scheibenwischer klapperten, die Lüftung heulte, die Reifen verspritzten Dreckkaskaden, und der Mietwagen rollte unverfänglich an der Einfahrt vorbei, wobei sich Tierwater leicht duckte, um den Scheinwerfern zu entgehen, die den Vordersitz kurz wie eine Bühne erhellten – ob der Sheriff die Schminkestriche unter seinen Augen sehen konnte, die Strickmütze auf seinem Schädel? Würde er ihn erkennen? Sah er überhaupt hin? Trug er eine Brille? War sie angelaufen? Und was trieb dieser Typ überhaupt um diese Zeit? Hatte er etwa einen Anruf vom Revier erhalten: Sie kommen besser mal rüber, Chief, irgendein Arschloch hat uns bei beiden Streifenwagen die Reifen aufgeschlitzt , war das der Grund?
    Sheriff Bob Hicks hätte von seiner Auffahrt beide Richtungen nehmen können – klar, er hätte auch zurücksetzen und sich wieder ins Bett legen können –, aber er wandte sich nach links, die Scheinwerfer des Streifenwagens bohrten sich in die Nacht und schwangen dann herum, um in Tierwaters Rückspiegel aufzutauchen. Tierwater rutschte das Herz in die Hose, er riß sich sofort die Mütze vom Kopf, kurbelte das Fenster herunter, um sie hinauszuhalten, und wischte sich dann mit dem rauhen Acrylgewebe die Fettschminke aus dem Gesicht. Er fuhr so an die fünfzig, fünfundfünfzig. War das zu schnell? Zu langsam? Sollte man das Tempo nicht den Witterungsbedingungen anpassen? Der Regen prasselte hernieder; die Lichter hinter ihm kamen näher.
    Eine Sekunde lang dachte er an Flucht – voll aufs Gas treten und den Mistkerl abhängen –, doch er verwarf die Idee sofort wieder. Er wußte nicht einmal, was für einen Wagen er da überhaupt fuhr – den billigsten Kleinwagen, irgendeine japanische Schüssel, die nicht mal einer alten Frau auf dem Fahrrad davongefahren wäre –, und es war ja auch nichts passiert. Zu der Annahme, der Sheriff würde ihn anhalten, gab es keinerlei Grund. Er mußte nur die Ruhe bewahren, sonst nichts. Aber da waren diese Lichter, die in seinem Rückspiegel dräuten und ihn verfolgten, mit derselben entsetzlich langsamen Geschwindigkeit wie er. Seine Hände umklammerten das Lenkrad, als wäre es der Schleudersitzhebel eines brennenden Düsenjägers. Er versuchte, seiner Schulterhaltung, dem Hinterkopf und auch den Ohren Unschuld einzuimpfen. Unmerklich beschleunigte er ein wenig.
    Das Schlimmste war Andrea. Oder nein, Sierra. Wie sollte er ihr das nur erklären? Kaum anderthalb Wochen aus dem Gefängnis raus und schon wieder hinter Gittern? Er war noch zu keinem einzigen Elternabend gegangen. Und Chris Mattingly und all die anderen – was würden die wohl denken? Er sah bereits die Schlagzeilen vor sich – ÖKOHELD ENTZAUBERT, E.F.!-AKTIVIST EIN REIFENSCHLITZER, TIERWATER NUR EIN KLEINER VANDALE. Und dann hatte er eine Vision von Lompoc, von Richter Duermer, von Fred. Nur wäre es jetzt nicht wieder Club Fed. O nein, diesmal wären es ein paar Quadratmeter in einem Zellenblock, Banden, Vergewaltigung, Einschüchterung, Sicherheitsstufe zwei mindestens, vielleicht noch höher. Verletzung der Bewährungsauflagen, Besitz von Einbruchswerkzeug, Hausfriedensbruch, Zerstörung von privatem und öffentlichem Eigentum, Führung eines falschen Namens zum Begehen einer Straftat...
    Dann aber geschah ein Wunder. Langsam und besonnen und mit aller bedächtigen, polizeibeamtenmäßigen Umsicht der Welt ließ Sheriff Bob Hicks den Streifenwagen nach links ausscheren und zog für den Bruchteil eines Augenblicks mit Tierwater gleich, ehe er ihn überholt hatte und davonrauschte. Durch die beiden verschlierten Seitenfenster und den Zwischenraum der regennassen Nacht erhaschte Tierwater einen Blick auf den Mann

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