Ein Freund der Erde
Mikrofonphalanx: » No , Mann, komme ich also corriendo , ja, von el garaje , und Dandy, der ist muy malo ...«
Peng. Peng. Peng-peng. Das höre ich, aber sehen kann ich tote Löwen, tote Pekaris, Schakale und Geier – Lebewesen, die sich in bepelztes und gefiedertes totes Fleisch verwandeln, ausgestorben und in die Schubkarre damit.
»Hier im Haus gibt es wilde Tiere«, sagt der Reporter, und er bemüht sich, ein wenig moralische Entrüstung in seine Stimme zu zwängen, »die in den Zimmern leben und durch die Korridore streifen. Das stimmt doch, oder?«
Peng. Peng-peng . Ich nicke. Kraftlos.
Seine Brille funkelt, das Mikro stößt vor. »Vielleicht könnten Sie mir das mal erklären, ich kapiere das nicht recht – ist das nicht gefährlich?«
Nach den Bullen, den Notizbuchkritzlern und den Fernsehköpfen, nach den Rechtsanwälten, untröstlichen Fans, Sensationslüstlingen und Reliquienkrämern trudeln allmählich auch die Verlagstypen aus New York, Berlin, Los Andiegoles ein. Mac ist gerade drei Tage begraben, da taucht der erste auf (die Beerdigung war in Detroit, wurde natürlich im Fernsehen übertragen, als Höhepunkt eines sechsstündigen Memorialkonzerts mit Popstars aus der Vergangenheit, der fernen Vorzeit und der Gegenwart, die Gemeinschaftsversionen von Macs größten Hits heraushämmerten, während Legionen von schluchzenden Fans Kerzen und Feuerzeuge schwenkten, was ein solches Lichtermeer erzeugte, daß sich die Durchschnittstemperatur der Erde gleich noch mal um einen Viertelgrad erhöht haben dürfte). Unsere Stellung hier – das heißt: meine und die von Andrea, April Wind, Chuy und den überlebenden Tieren – ist, gelinde gesagt, prekär. Mac starb ohne Testament, und die Anwälte seiner vier Ehefrauen, tatsächlichen und vorgeblichen Geliebten und diverser Kinder, ob ehelich oder nicht, ganz zu schweigen von mehreren Plattenfirmen, die Rechte an bestimmten Songs oder Aufnahmen einfordern, befinden sich bereits mitten in einer mörderischen Schlacht um den Nachlaß. Ich habe keinerlei Anspruch auf irgendwas. Ich hab nicht mal ein Gehalt. Oder eine Krankenversicherung. Und die Tiere – etliche Pekaris sind noch übrig, ein paar Honigdachse, drei Schmutzgeier und Petunia – haben noch weniger.
Was ich zu sagen versuche: ich fürchte mich– bin richtungslos, mittellos, versicherungslos und, kein Zweifel, bald auch obdachlos, und ich bin willens, diesen Cheflektor mit offenen Armen zu empfangen (ich will ja nicht gewinnsüchtig klingen, aber wenn etwas damit zu verdienen ist, dann erzähle ich gern einem Ghostwriter von meinen Jahren mit Mac und auch von meinem Leben als Saboteur, und April Winds Hagiographie über Sierra juble ich denen auch noch unter). Und wer kommt da? Ronnie Bott von Bertelsmann West, dem größten – dem einzigen – Verlagshaus in New York. Er nimmt denselben Weg wie Randy Bowgler und der Rest der langen Parade von Juristen, Journalisten und enthemmten Fans (einige von denen glotzen immer noch zu den Fenstern rein, trotz großer Anstrengungen der Mietpolizisten, die der Anwalt von Macs erster Frau angeheuert hat, um sie in Schach zu halten): über den jetzt fast ausgetrockneten Pulchris River – inzwischen überquert man ihn auf einem primitiven Steg aus verworfenen Sperrholzimitatplatten, die einfach im Schlick liegen. Es ist neun Uhr morgens, es hat dreiundvierzig Grad, und der Südostwind heult, als das Thema von Chariots of Love durch das Haus schallt. Andrea schläft noch, logisch, und April Wind, die diesen Termin angekurbelt hat, hat sich für ihre Tantraübungen in ihr Zimmer eingeschlossen, also wankt wieder einmal Ty Tierwater zur Tür, ob die Knie nun schmerzen oder nicht.
Was tue ich? Ich schenke dem Mann ein großes Glas Eistee ein und lasse ihn im Motown Room Platz nehmen, gleich unter dem leuchtenden elektronischen Porträt der Four Tops. Er sieht aus wie gerade mal vierzehn (obwohl ich weiß, der er älter sein muß) und trägt eines dieser Hemden mit großem Kragen und eine gemusterte Weste, wie sie jetzt offenbar wieder modern sind, genau wie die ausgestellten Hosen und Stiefel mit hohen Absätzen. Ansonsten: lange Haare, kein bißchen Muskeln oder Bart, ein krümeliges Zeug, das nur Akne sein kann, auf der rechten Backe. Ich lasse mich ihm gegenüber nieder, in der Hand mein eigenes tropfnasses Glas Eistee, und mustere ihn mit einer Miene voller Weisheit und Zugänglichkeit.
»Soso«, sagt er, rutscht auf dem Stuhl herum und schlägt erst die
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